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Eine »Schwammstadt« gegen Hitze

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Von: Redaktion

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Teil des Nizza-Ufers ist ein geschützter Bereich an der Untermainbrücke, der klimatische Bedingungen für exotische Pflanzen bietet. © Red

Frankfurt - Mit Rücksicht auf die Umwelt planen - die Stadt vom Grün her denken: So lautet seit Jahren das Credo der Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). Bei einer Online-Podiumsdiskussion kam jetzt zur Sprache: Man kann die Stadt auch vom Blau und sogar vom Grau her denken. »Heißzeit? Wie Frankfurt dem Klimawandel begegnen kann« hat das Institut für sozial-ökologische Forschung (Isoe) seinen Gesprächsabend zur Reihe Frankfurter Bürger-Universität genannt.

Dass es heißer wird in Zukunft, und zwar umso heißer, je weniger wir gegen den Klimawandel unternehmen, verdeutlichte Marion Hemfler, Leiterin des Fachzentrums Klimawandel und Anpassung beim Umweltlandesamt: »Wenn wir alles tun, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten, haben wir zum Ende des Jahrhunderts im Durchschnitt drei zusätzliche heiße Tage im Jahr. Wenn nicht: 21 Tage.« Eine Horrorvorstellung: »Dann wären diese besonders heißen und dürren Sommer der vergangenen drei Jahre künftig die Durchschnittssommer.«

Was tun? Einen farbenfrohen Ansatz verfolgt der Isoe-Wasserexperte Martin Zimmermann. Weil die Städte zu stark versiegelt sind, leiten sie in Zeiten mit zu viel und zu heftigem Niederschlag die Wassermassen durch ihre Kanäle hinaus aus der Stadt - jenes Wasser, das in den dürren Zeiten dringend gebraucht wird. Zimmermanns Ansatz: Die Stadt muss ihre Wasserwirtschaft anpassen. »Grüne, blaue und graue Infrastruktur müssen gekoppelt werden.« Grüne Infrastruktur sind für ihn etwa Parks, Bäume, Grünflächen - da muss das Wasser hin, unter anderem dort kann eine »Schwammstadt« die dringend nötige Feuchtigkeit speichern. Zur blauen Infrastruktur gehört alles, wo sich bereits Wasser befindet. Und die graue Infrastruktur? Das ist, was oft unter dem Begriff Brauchwasser läuft. Wasser, das keine Lebensmittelqualität haben muss, das etwa in Zisternen aufgefangen wird. In der Salvador-Allende-Straße würden damit bereits WC-Spülungen betrieben. »Regenwassernutzung könnte durchaus zur Pflicht gemacht werden«, ist Zimmermanns Standpunkt.

Abgesehen davon: entsiegeln, entsiegeln, entsiegeln, sagt Dezernentin Heilig. »Trotz der Warnungen vor dem Klimawandel wurden in Frankfurt lange Zeit weiter Plätze versiegelt. Das müssen wir ändern. Wir müssen jetzt begrünen auf Teufel komm raus.« Die Stadträtin lobt die Leute in der Paul-Arnsberg-Straße im Ostend: »Die reißen diesen Platz wieder auf.« Und sie beklagt: »Baurecht schlägt immer noch Baumrecht - da können wir kämpfen wie die Löwinnen.« Von der Bundesregierung müsse der Impuls kommen, das zu ändern.

»Bei der Bewässerung neue Wege gehen, den Raum verschatten, Großgrün erhalten«, das betrachtet der Erfurter Umweltamtsleiter Jörg Lummitsch als wichtigste Schritte. Er warnt, der Klimawandel führe auch zur Vereinsamung. Es gelte, die Leute wieder zusammenzuführen, sobald Corona es zulässt. Da kann etwas Klimaerleichterung nicht schaden: Erfurt testet gerade Dachbegrünung an Haltestellen im Nahverkehr. »Im Sommer haben wir an den Stationen 45 Grad gemessen - da wartet man nicht gern.«

Den »Wechsel in den Köpfen« will Heilig vorantreiben. »Wer ein Haus baut, muss einen Autostellplatz nachweisen - das ist Quatsch«, sagt sie. »Warum verlangen wir stattdessen nicht Bäume?« Am liebsten, gesteht sie, würde sie »alle Parkplätze durch Baumstandorte ersetzen«. Und: »Eigenhändig mit dem Presslufthammer Flächen entsiegeln.« Da will Klimaexpertin Hemfler nicht zurückstehen: »Ich würde Schottervorgärten mit Umweltfarbe besprühen.« Stark anzunehmen, dass sich beide bis zum Sommer nicht dahingehend radikalisieren. Dann soll die Diskussion in der Reihe Bürger-Universität fortgesetzt werden. Thomas Stillbauer

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