Doppelmord erneut im Visier

Ein als Doppelmörder Verurteilter beteuert seit Jahren seine Unschuld und will ein Wiederaufnahmeverfahren. Bislang ist das gescheitert. Sein Anwalt spricht mittlerweile von neuen Erkenntnissen. Ein Berufungsverfahren um Ansprüche des Landes Hessen bietet eventuell eine neue Chance.
Sie zeigte sich nach dem Urteil im März vergangenen Jahres gefasst und auch kämpferisch. »Wir haben gesagt, wenn das heute nicht positiv ausgeht, ist das noch nicht das Ende«, sagte die Frau des als Doppelmörder verurteilten Andreas Darsow aus dem südhessischen Babenhausen nach dem Richterspruch der Zivilkammer des Darmstädter Landgerichts. Seit mehr als zehn Jahren kämpft sie zusammen mit dem heute 53-Jährigen um eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Eine Berufungsverhandlung in einem Zivilverfahren am 18. Januar bietet nach den Worten von Darsows Anwalt, Gerhard Strate, möglicherweise einen Hebel für eine Wiederaufnahme. Hierfür gelten aber strenge Regeln. Strate hat bereits das bayerische Justizopfer Gustl Mollath und die wegen Mordes ihrer beiden Töchter verurteilte Monika Böttcher vertreten. Im Fall Darsow sieht er nun die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt als zweite Instanz, einen Termin für die Berufung anzusetzen, positiv. »Es gibt mir eine vage Hoffnung«, sagt der Jurist. In dem Zivilverfahren, das wieder in Darmstadt verhandelt wird, geht es dabei nicht um das eigentliche Verbrechen im Jahr 2009.
Damals kein Zweifel an Indizien
Rückblick: In seinem Urteil 2011 im Strafprozess sieht es das Landgericht Darmstadt als erwiesen an, dass der Deutsche im April 2009 seinem Nachbarn nach einem jahrelangen Streit über Lärmbelästigung auflauerte und ihn erschoss. Anschließend ging er dem Urteil zufolge in das Haus und schoss der schlafenden Ehefrau zwei Kugeln in den Kopf - auch auf die behinderte Tochter schoss er. Sie überlebte schwer verletzt. Der Richter sprach von »absoluten Vernichtungswillen«. Darsow beteuert seine Unschuld.
Im Zivilverfahren geht es nun um eine Forderung des Landes Hessen auf Schadensersatz in Höhe von 70 000 Euro wegen erbrachter Leistung für die bei dem Verbrechen überlebende behinderte Tochter. In erster Instanz lehnte die Kammer eine neue Beweiserhebung ab und verurteilte den 53-Jährigen zur Zahlung der geforderten Summe. Das Urteil damals hätte klarer kaum ausfallen können. Die Kammer hatte keine Zweifel an der Bewertung der Indizien im Urteil zu lebenslanger Haft im Strafverfahren. »In der Gesamtwürdigung lassen sie nur einen Schluss zu«, hieß in der Begründung. Die zugelassene Berufung sei vom Beklagten eingelegt worden, heißt es bei der zweiten Instanz beim Oberlandesgericht. »Auch im Berufungsprozess besteht die Möglichkeit der Beweisaufnahme.« Hier liegt die Hoffnung der Darsows und von Anwalt Strate. Bei einer möglichen Beweiserhebung könnte es um einen selbst gebauten Schalldämpfer gehen, der bei den Morden benutzt worden sein soll.
Hintergrund sind hier gegensätzliche Erkenntnisse aus neuen Gutachten der Verteidigung und im Urteil angeführten Indizien. Es gebe aber auch noch andere neue Tatsachen, sagt Strate. Die Frau von Andreas Darsow werde mit Sicherheit bei den Termin sein. Der Verurteilte müsste Strate zufolge zu dem Termin vorgeführt werden. »Ich nehme nicht an, dass er mit dabei sein wird.«
Bislang scheiterten alle Bemühungen
Auch in einem anderen Verfahren vor dem Amtsgericht im südhessischen Dieburg ging es schon am Rande um den Doppelmord. Dort musste sich 2021 der Bürgermeister von Pfungstadt, Patrick Koch, wegen des Vorwurfes des Geheimnisverrats verantworten. Er war früher als Polizist an den Ermittlungen in dem Fall beteiligt und hatte in einer später geschriebenen und dann veröffentlichten E-Mail seine Bedenken geäußert, dass man sich viel zu schnell auf den später Verurteilten als Täter festgelegt habe. Ob im aktuellen Prozess am 18. Januar bereits eine Entscheidung fällt, ist dem Oberlandesgericht zufolge noch unklar. Dies hänge vom Ergebnis der mündlichen Verhandlung ab. Es sei zwar nur ein Verhandlungstermin anberaumt, üblich sei aber, dass ein Verkündungstermin anberaumt werde, sagt ein Sprecher.
Bislang scheiterten alle Bemühungen, mögliche neue Beweise in ein neues Verfahren einzubringen. Im August 2019 lehnte das Kasseler Landgericht eine Wiederaufnahme ab, im Mai 2020 auch das Oberlandesgericht Frankfurt. Im Oktober 2020 nahm das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde in dem Fall nicht zur Entscheidung an.