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»Digitale Welt«: Ein Schulfach, das bislang gefehlt hat

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Wie eine Art Ritterschlag: Die Solgrabenschule in Bad Nauheim, bereits als »Digitalschule« ausgezeichnet, zählt zu jenen zwölf Schulen in Hessen, in denen das neu geplante Fach »Digitale Welt« getestet wird. © Red

Die Solgrabenschule in Bad Nauheim ist eine von zwölf hessischen Pilotschulen für Schulfach »Digitale Welt«. Was es damit auf sich hat, erläuterte Kultusminister Lorz per digitaler Pressekonferenz.

Bundesweit einmalig und richtungsweisend« ist nach Ansicht von Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz das neue Unterrichtsfach »Digitale Welt«, das dazu beitragen soll, die Schulen in Hessen fit für die Zukunft zu machen. Es soll zum Schuljahr 2022/23 in etwa 70 fünften Klassen an zwölf Pilotschulen unterschiedlicher Schulformen eingeführt, einige Jahre lang ausgebaut, erweitert, angepasst und evaluiert werden.

Ziel ist »der Aufbau eines neuen Schulfachs für das digitale Zeitalter, das weit über den bekannten Informatikunterricht hinausgeht«. Das Pilotprojekt wird in Kooperation mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam durchgeführt und von der Goethe-Universität Frankfurt wissenschaftlich begleitet.

Lorz und Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus skizzierten ein ambitioniertes Vorhaben: Das Fach »Digitale Welt« soll grundlegende Kompetenzen der Informatik mit ökonomischer und ökologischer Bildung verzahnen, mit Bereichen also, denen angesichts aktueller Probleme wie Globalisierung und Klimakrise zunehmend eine Schlüsselrolle zukommt. Außerdem soll es die soziale und methodische Kompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern, beispielsweise durch die Vermittlung von Möglichkeiten, »Fake News« zu erkennen, sowie von Grundkenntnissen in Datenschutz und Urheberrecht.

Statt Rasen mähen eine App schreiben

»Die Schülerinnen und Schüler lernen im Unterricht, wie digitale Technologien zur Lösung sozialer, ökonomischer und ökologischer Probleme beitragen können«, umriss Lorz die Zielsetzung und überließ seiner Kollegin Sinemus die Umsetzung der Theorie in ein praktisches Beispiel: »Ein mögliches Projekt in der fünften Klasse könnte sein, dass die Schülerinnen und Schüler nicht Krokusse bestimmen, sondern mithilfe von Künstlicher Intelligenz einen Rasenroboter so programmieren, dass er nur den Rasen mäht und nicht die Krokusse.«

Als wesentliches Element des Pilotprojekts nannte Lorz den Verzicht auf allzu detaillierte Vorgaben. »Wir wollen Erfahrungen sammeln, möglichst viele Anregungen entgegennehmen, wollen auch sehen, wie die Schüler mit dem Projekt zurechtkommen«, hob er hervor.

Sollte sich aus dem Projekt wie erhofft innerhalb von sechs oder sieben Jahren ein Curriculum zur allgemeinen Einführung des Schulfachs »Digitale Welt« entwickeln, könne sich dieses Regelwerk »möglicherweise deutlich von dem unterscheiden, mit dem wir jetzt starten«.

Bei der Auswahl der zwölf Pilotschulen wurde nicht nur Wert auf deren räumliche Verteilung und die Berücksichtigung unterschiedlicher weiterführender Schulformen gelegt, sondern auch die bereits vorhandene Kompetenz der Schulen in den Bereichen Informatik/Digitalisierung sowie von ökonomischer und ökologischer Bildung. Für die Fünftklässler der ausgewählten Schulen ist die Teilnahme am Pilotprojekt (wöchentlich zwei Schulstunden) freiwillig, der Unterricht wird nicht benotet und vorerst auch nicht versetzungsrelevant sein.

Fortbildungen für die Lehrkräfte

Nachfragen aus dem Kreis der Journalisten nach der Auswahl für den Unterricht in diesem neuen Querschnittsfach geeigneter Lehrkräfte beantwortete Lorz mit dem Hinweis auf geplante Fortbildungen, die als Präsenzveranstaltungen in der kommenden Woche sowie in der letzten Ferienwoche stattfänden. Künftig seien weitere Fortbildungen geplant, dann auch für Lehrkräfte der Schulen, die sich dem Pilotprojekt anschließen wollten.

Unter den zwölf Pilotschulen ist die Solgrabenschule Bad Nauheim die einzige Wetterauer Bildungseinrichtung - ein Umstand, der Schulleiter Jörg Mathes mit Stolz erfüllt: »Es ist die Bestätigung für die gute Arbeit des Kollegiums. Wir sind schon als Digitalschule ausgezeichnet, das Pilotprojekt ist der nächste Schritt«, freute sich Mathes. Er halte das Fach »Digitale Welt« für sehr wichtig, betonte Mathes, denn mit seiner Anlage als Querschnittsfach lehre es die Schülerinnen und Schüler zu verstehen, wie Verknüpfung, Vernetzung und Abhängigkeiten in einer globalisierten, digitalisierten Welt funktionierten - etwas, das zu begreifen oft selbst Erwachsenen schwerfalle. Sein knappes Fazit: »Dieses Fach hat uns bisher gefehlt.«

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