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»Die Wochen der Wahrheit«

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Zahlreiche Händler beobachten vor dem Hintergrund der steigenden Inflation ein verändertes Kaufverhalten ihrer Kunden - das gilt auch für den Obststand auf dem Wochenmarkt im Frankfurter Stadtteil Bornheim. © DPA Deutsche Presseagentur

Vieles wird teuer, auch der Einkauf auf dem Wochenmarkt. Wie reagieren die Verbraucher? Markthändler sehen vor allem eine Produktgruppe, bei der die Kunden Verzicht üben.

Ob Obst und Gemüse, Honig oder Backwaren - wer derzeit auf dem Wochenmarkt einkaufen möchte, muss in der Regel tiefer in die Tasche greifen, denn die Inflation macht sich auch an den Marktständen bemerkbar. Während Käuferinnen und Käufer im vergangenen Jahr auf den hessischen Wochenmärkten etwa 2 Euro für ein Kilogramm Äpfel und 2,90 Euro für ein Kilogramm Zwetschgen zahlten, kostet die gleiche Menge Äpfel derzeit ungefähr 2,40 Euro und Zwetschgen 3,50 Euro, wie der Hessische Bauernverband (HBV) berichtet.

Bisher scheinen die Preiserhöhungen die meisten Hessen allerdings nicht von ihrem Wochenmarktbesuch abzuhalten. Nach Angaben des Landesverbands für Markthandel und Schausteller Hessen gibt es derzeit nicht weniger Kunden. Jedoch sei erkennbar, dass sich die Pro-Kopf-Umsätze reduzieren, berichtet der Geschäftsführer des Landesverbandes für Markthandel, Roger Simak.

Manche Besucherinnen und Besucher seien wegen der gestiegenen Preise sehr zurückhaltend in ihrem Kaufverhalten geworden, stellt auch der HBV fest. Nach Angaben der Sprecherin ist eine »deutliche Änderung des Kaufverhaltens auf hessischen Wochenmärkten« erkennbar. »Im Hinblick auf den Winter und die Preissteigerungen bei Gas und Strom sparen viele Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Lebensmitteln.«

In Frankfurt berichten Veranstalter und Marktbeschickende der Wochenmärkte, dass verschiedene Produkt-sparten von der Kaufzurückhaltung unterschiedlich stark betroffen seien. Obst und Gemüse etwa werde auf den Frankfurter Wochenmärkten insgesamt weniger konsumiert, vor allem Bioprodukte, berichtet eine Sprecherin der Managementgesellschaft für Hafen und Markt. Auch die Nachfrage nach Feinkost oder Produkten wie Ölen und Gewürzen sei in den vergangenen Wochen gesunken. Metzger- und Imbissprodukte seien dagegen im Schnitt weniger stark von der Kaufzurückhaltung betroffen.

Auch auf dem Darmstädter Wochenmarkt würden weniger Produkte aus Feinkost und Floristik gekauft, berichtet eine Sprecherin der Darmstädter Marketing GmbH.

An »nice to have« wird gespart

Simak spricht von »Kann- und Mussprodukten«: »Unumgängliche Lebensmittel«, die in der Regel fast täglich konsumiert werden - etwa Brot, Fleisch und Käse - würden fast genauso gekauft wie vorher. Die Kunden sparten aber an Produkten der Kategorie »nice to have«, die also nicht zum täglichen Bedarf zählen.

Blumenhändler Marco Büschers verkauft unter anderem auf dem Wochenmarkt in Frankfurt-Bornheim. Seine Ware gehört wohl eher zur Kategorie »nice to have«. Trotzdem nehme er nicht wahr, dass die Anzahl seiner Käuferinnen weniger werde, berichtet er. Seine Kunden kaufen allerdings gezielter und preisbewusster ein. »Die Menschen lassen weniger Geld da.« Auch werde er nun häufiger nach den Preisen seiner Ware gefragt: »Der Preis steht nun mehr im Vordergrund.«

Jürgen Kemmet, Sprecher der Standbetreibenden auf dem Wochenmarkt in Fulda, verkauft an seinem Stand Käse aus handwerklicher biologischer Herstellung. Seine Produkte sind tendenziell höherpreisig. Im Vergleich zum vergangenen Jahr verzeichnet auch er derzeit etwas weniger Kunden sowie geringere Einnahmen. Allerdings seien die vergangenen zwei Jahre sehr umsatzstark gewesen: Wegen der Corona-Einschränkungen hätten Menschen verstärkt Märkte besucht - sie hätten zum Teil Geld übrig gehabt und wollten rauskommen.

Sorge vor den Energiepreisen

Wie es weitergeht? Bei Marktbestellenden herrscht Unsicherheit. »Wo es hingeht, weiß ich nicht«, sagt Blumenhändler Büschers. Noch profitiere seine Branche von den langen warmen Tagen der vergangenen Wochen. Bald werde sich zeigen, in welche Richtung sich die Lage entwickle. Mit fallenden Temperaturen müsse man zunehmend auf Pflanzen aus beheizten Gewächshäusern zurückgreifen - und das bei hohen Energiepreisen. »Das wird zum Problem werden«, sagt er. »Die Wochen der Wahrheit kommen erst jetzt.«

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