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Die Wasserfrau

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Marion Böhm ist Naturschützerin und Pädagogin. Die Nidda, die hier im Hintergrund durch Bad Vilbel fließt, ist ihr Fluss. Dort will sie am Samstag eine Kinderstation aufbauen, um zu zeigen, warum das Wasser geschützt werden muss. © Red

Eigentlich ist Marion Böhm ein richtiger Regenfan. Sie mag es, wenn das Wasser sanft vom Himmel fällt, in den Boden einsickert, die Pflanzen tränkt und das Grundwasser speist. Passiert in letzter Zeit leider viel zu selten. Nur am kommenden Samstag, da kann Marion Böhm Regen überhaupt nicht brauchen.

Am Samstag ist der »Tag des Wasserlaufs«. Menschen tragen an diesem Tag Wasser in Kanistern oder Flaschen von Frankfurt zurück in den Vogelsberg - immer an der Nidda entlang, über Bad Vilbel, Niddatal, Florstadt und Schotten bis zur Quelle am Hoherodskopf.

Es ist ein Tag des Protests gegen den enormen Wasserkonsum der Großstadt Frankfurt, der sich zu gut einem Drittel aus den Quellen des Vogelsbergs bedient. Jährlich rauschen Millionen Liter durch eine Pipeline aus dem Mittelgebirge gen Metropole, während im Vogelsberg selbst nach Hitzesommern und Trockenwintern der Grundwasserspiegel sinkt, Quellen versiegen, Bachläufe trockenfallen und Bäume absterben.

»Wir müssen ein Zeichen gegen diesen Raubbau setzen«, ist Marion Böhm überzeugt. »Feuchtgebiete gehen kaputt, Lebensräume werden kleiner, die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt ist bedroht«, mahnt sie. Ziel sei es, mit dem Wasserlauf Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, Politik und Wirtschaft in die Verantwortung zu nehmen, sorgsamer mit dem immer wertvoller werdenden Gut Trinkwasser umzugehen.

Aber es geht nicht allein um ein Zeichen, um ein Symbol gegen den verantwortungslosen Umgang mit der Natur. Es geht auch um Aufklärung und Bildung.

Wenn Marion Böhm erklären müsste, ob sie vor allem Naturschützerin ist oder Pädagogin - dann ginge das ganz sicher unentschieden aus. Seit fast 30 Jahren gehört die heute 55-Jährige den Naturfreunden in Bad Vilbel an. Die Mitglieder dieses bundesweit vertretenen Vereins engagieren sich seit 1922 für eine intakte Umwelt, ein Leben in und mit der Natur und sanften Tourismus. Man kann sagen, der Vereinsbeitritt war eine der ersten Dinge, die Marion Böhm tat, als sie 1992 mit ihrem Mann und Tochter Julia - die war gerade dem Windelalter entwachsen - aus Chemnitz, dem früheren Karl-Marx-Stadt, nach Bad Vilbel zog.

»Die Naturfreunde sind meine Heimat«, sagt sie. Dort hat sie sich im Vorstand engagiert, politische Veranstaltungen organisiert, in Gremien mitgearbeitet. Inzwischen lebt die Familie in Niddatal-Assenheim, wo sie sich mit viel Eigenleistung, wie Böhm erzählt, ein kleines Häuschen zurechtgemacht hat. Den Bad Vilbeler Naturfreunden aber ist sie verbunden geblieben.

An diesem Samstag wird sie zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern, Ehrenamtlichen und Mann und Tochter eine Kinderstation auf der Büchereibrücke in Bad Vilbel betreuen, die dort über die in Teilen renaturierte Nidda führt. Und deshalb soll es genau dann nicht regnen. Schließlich sollen möglichst viele Kinder und Jugendliche und natürlich auch Erwachsene kommen und sehen, was es mit dem Wasser auf sich hat.

Zum Beispiel wird dort dann ein Bassin stehen, in das genau ein Kubikmeter Wasser passt, also 1000 Liter. »Und dann erklären wir, dass man so eine Menge Wasser braucht, allein um einen halben Ledergürtel herzustellen«, erläutert Böhm. Daneben können Kinder bei einem Angelspiel erkunden, welche Tiere die Nidda bevölkern. »Und wenn das Wetter mitmacht, darf natürlich auch mit Wasser geplantscht und bei einem Schwammlauf damit herumgespritzt werden.«

Selbst Wasser die Nidda hochtragen wird Marion Böhm beim Wasserlauf nicht. Ihre Aufgabe ist keine symbolische, sondern eine pädagogische. Sie hat die Kinderstation mitentwickelt und bringt dafür nicht nur die nötige Begeisterung mit, sondern auch den beruflichen Hintergrund.

Gelernt hat sie Erzieherin, dann hat sie neben dem Beruf Sozialpädagogik studiert. Lange Zeit hat sie in Frankfurt an einer Schule für Hörgeschädigte gearbeitet, heute ist sie an einer Grundschule in Bruchköbel im Main-Kinzig-Kreis tätig. »Herzblutpädagogin« sei sie, sagt sie von sich selbst.

Die Vorbereitungen für den Wasserlauf dauern schon Monate. Jetzt steigt die Vorfreude auf den Samstag, aber auch die Spannung, wie viele Menschen zu den Stationen entlang der Route kommen werden, wie viele helfen, das Wasser zurück in den Vogelsberg zu tragen, wie viel ein solcher Aktionstag wird bewegen können.

»Es ist ein lokales Projekt, aber es berührt ein globales Problem«, bekräftigt Marion Böhm. Zukunft mitgestalten, sie ein bisschen besser machen, als sie ist - das sei jeden Einsatz wert, sagt sie. Und hofft, dass sie auch in 20 Jahren, wenn sie dann mit ihrem Mann wie so oft durch den Vogelsberg wandert, die Landschaft dort noch wird genießen können.

Alle Informationen zum Wasserlauf am Samstag, 16. Juli, zu den vielen Stationen und wie man sich beteiligen kann unter: www.wasserlauf-2022.de.

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