Der Wandel des Boris Rhein

Wiesbaden - Es ist Boris Rheins zweiter Anlauf auf ein politisches Spitzenamt - diesmal auf die Staatskanzlei. Zehn Jahre sind seit der verlorenen Frankfurter OB-Wahl vergangen. Der konservative Jurist hatte ganz auf das Feld innere Sicherheit gesetzt und war krachend gescheitert. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Law-and-Order-Politik war gestern.
Der Rhein von heute hat die großen und auch die sozialen Themen für sich entdeckt, gibt sich als zugewandter Politiker. Bei den Opfern des rassistischen Attentats in Hanau etwa hat der Frankfurter einen ausgesprochen guten Ruf - im Gegensatz zu einigen anderen CDU-Kabinettskollegen. Heute wird er wohl Ministerpräsident Volker Bouffier beerben. Dann gilt es, sich im Land bekannt zu machen. Für den Herbst 2023 ist die Landtagswahl terminiert. Der Amtsbonus soll helfen, die seit 1999 währende CDU-Herrschaft in Hessen fortzusetzen. Auch den hessischen CDU-Vorsitz soll der Vertreter des Wirtschaftsflügels übernehmen.
Trennung von Justizministerin
Dass Justizministerin Eva Kühne-Hörmann Rheins Kabinett nicht angehören wird, ist keine Überraschung, obwohl die 60-Jährige in der Regierungsmannschaft von Bouffier die einzige Ressortchefin aus Nordhessen war. Doch mit der Wahl von Roman Poseck, Präsident des Hessischen Staatsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Frankfurt, zu ihrem Nachfolger ist Rhein ein echter Coup gelungen. Der 52-jährige Richter ist politisch gut vernetzt. Er war viele Jahre lang im Justizministerium tätig, unter anderem als Büroleiter des früheren Amtsinhabers Jürgen Banzer (CDU). Die CDU-Landtagsfraktion nahm den vorzeitig bekanntgewordenen Personalwechsel am Montagabend offiziell zur Kenntnis. Die weiteren Änderungen im Kabinett, die der noch amtierende Landtagspräsident in der Fraktionssitzung bekanntgab, halten sich in Grenzen. Ausgetauscht wird auch der Staatssekretär im Justizministerium, wo der Südhesse Thomas Metz aus Bensheim durch die 48-jährige Tanja Eichner ersetzt wird, die bisher Abteilungsleiterin im Innenministerium war. Auch der Regierungssprecher wechselt. Auf Bouffiers engen Vertrauten Michael Bußer folgt als neuer Staatssekretär der Journalist Tobias Rösmann, schon im Landtag Pressesprecher von Präsident Rhein. Alle anderen Minister und Staatssekretäre übernimmt der neue Regierungschef. So mancher hatte Rhein nach der verlorenen OB-Wahl schon auf dem politischen Abstellgleis gesehen. 2014 musste der zweifache Vater das Innenministerium an Parteifreund Peter Beuth abgeben, bekam das Ressort Wissenschaft und Kunst. Dort nutzte er die Chance, das Image des harten Hunds abzustreifen. Vier Jahre später fiel das Ressort an die Grünen. Rhein machte weiter als Nachfolger des Landtagspräsidenten Norbert Kartmann (CDU). Und erwarb sich parteiübergreifend Respekt. Etwa mit seiner Rede kurz nach den rassistisch motivierten Morden von Hanau im Februar 2020. Darin bekannte der heute 50-Jährige sich zu einer multikulturellen Gesellschaft. Es gebe keine Abstufungen im Deutschsein, sondern einzig zwischen Demokraten und Nichtdemokraten.
Jutta Rippegather/P. v. Bebenburg/Gerhard Kneier