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Der Bagger beißt sich durch

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Die Flächen im Vordergrund sind schon abgeräumt. Das Areal »Frankfurt Westside«, zuletzt als Industriepark Griesheim bekannt, wird von West nach Ost entwickelt; fertig sein soll es 2034/2035. © Red

Aus dem früheren Industriepark Griesheim soll bis 2034/35 die zukunftsträchtige »Westside Frankfurt« werden. Industrie- und Gewerbeansiedlung soll genauso zum Konzept gehören wie Naherholung.

Die große Greifzange des Abrissbaggers kneift sich durchs Gemäuer eines 70er-Jahre-Baus nahe der Bahntrasse. Es staubt, wieder stürzt ein Mauersegment auf den Schutthaufen, die restlichen Fensterscheiben des Gebäudes erzittern unter der hydraulischen Gewalt, die an den Grundfesten rüttelt. »Es sind nicht alle Gebäude nutzungsfähig«, erklärt Mathias Strauch, Projektleiter des Immobilienentwicklers BEOS für den Industriepark Frankfurt-Griesheim. »Westside Frankfurt« heißt der jetzt und soll sich zum spannenden Industrie- und Gewerbestandort entwickeln. Geplant ist es, den Bogen von der Vergangenheit des Standorts in die Zukunft zu spannen.

Einige der alten Backsteingebäude aus dem 19. Jahrhundert tragen zwar die Patina von mehr als anderthalb Jahrhunderten Chemiestandort, haben aber auch reichlich Charme. Etwa die große Halle, die zum Gastro-Standort werden soll. »Wir denken an eine Veranstaltungs-Location mit Gastronomie, auch zum Anmieten«, sagt Selina Morelli, die zu Strauchs Team gehört.

Große Halle soll Gastro werden

Das Architektenbüro Albert Speer & Partner hat für den Immobilienentwickler BEOS ein Konzept erarbeitet, das den bisherigen Industriepark in Achsen aufteilt. Mit »Produktion«, »Technologie«, »Innovation« und »Kreativ« sind sie klassifiziert. »Wir entwickeln das Areal von West nach Ost«, sagt Strauch - also von der Schwanheimer Brücke in Richtung Autogenstraße. Im Westen steht »Produktion«, dort sind die Felder auf dem Plan und im Modell größer als im Osten nahe der Griesheimer Bebauung, wo »Kreativ« steht: Nahe an die Menschen sollen Firmen, die ihrer Nachbarschaft nichts zumuten an Lärm oder anderen Belastungen. Die Einteilungen sind noch variabel, BEOS sucht nach Interessenten, die sich in der »Westside« ansiedeln möchten. Wer kommt infrage? Mathias Strauch lächelt: »Wir führen viele Gespräche mit potenziellen Nutzern.«

Schon bevor die BEOS den insgesamt rund 730 000 Quadratmeter großen Hauptanteil des Industrieparks Griesheim bis zum Jahr 2118 im Erbbaurecht vom Eigentümer, der Clariant, übernommen hat, war versucht worden, neue Interessenten für brach liegende Flächen zu finden - mit mäßigem Erfolg. Nach dem Wegzug der letzten beiden produzierenden Chemiebetriebe von Allessa und Weylchen 2019 und des Gefahrgutlagers von Infraserv, dem Standortbetreiber des Industrieparks Höchst, sind jetzt die Weichen neu gestellt. »Wir sind Immobilien-Spezialisten«, sagt Mathias Strauch. »Die Fläche hat viel Potenzial.«

Verladekran als Industriedenkmal

Produktionsbetriebe, die unter die Störfallverordnung fallen, gibt es nun keine mehr. Das heißt: Es besteht keine Notwendigkeit mehr, das Areal an der Stroofstraße abzuriegeln und von einem Werkschutz bewachen zu lassen. Noch ist das so, auch wegen der Baustellensicherheit, aber über kurz oder lang sollen die Straßen der »Westside« öffentlich zugänglich sein, den ansässigen Unternehmen ungehinderten Kundenverkehr ermöglichen. Geöffnet werden soll sukzessive, mit dem Fortschritt von Abriss und Neubau, mit der Fertigstellung von neuen Kabelkanälen und Leitungen - bis 2027/2028, Teile des Geländes vielleicht früher.

Für den Hafenbereich und die bislang gesperrten Areale am Main ist eine Naherholungs-Nutzung vorgesehen, mit Gastronomie am Fluss, durchgehendem Radweg und Multifunktionsflächen. Der Verladekran soll als Industriedenkmal stehen bleiben, auch die beiden Biohochreaktoren - Anlagen zur industriellen Abwasserbehandlung - bleiben erst einmal stehen. Sie werden zwar derzeit nicht mehr genutzt, sind aber noch auf geraume Zeit von der Infraserv Höchst gepachtet und sollen als Reserve-Anlagen vorgehalten werden. »Die Schaffung von Aufenthaltsqualität am Mainufer ist bei der Stadt auf sehr fruchtbaren Boden gefallen«, sagt Strauch; die Schaffung einer durchgehenden Radwegeverbindung sei ein Lückenschluss, auch wenn es entlang der Stroofstraße einen Rad- und Fußweg gibt. Ebenfalls wiederbelebt werden soll die Fußgängerbrücke, die im Norden über die Gleise auf das Areal führt und ähnlich der bunt bemalten Biohochreaktoren im Süden so etwas wie ein Entree für die zukünftige »Westside« sein könnte.

Allerdings ist diese Brücke sehr schmal und deswegen derzeit nur für Fußgänger geeignet. Damit sie auch von Radfahrern genutzt werden könnte, müsste sie verbreitert werden - was nur in Abstimmung mit der Bahn geht. Eine neue Brücke könnte in Zusammenarbeit mit der Stadt geschaffen werden.

Mit der Verabschiedung des Aufstellungsbeschlusses hat der Magistrat inzwischen das Ende der Planungsphase eingeläutet; für März wird die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung erwartet. Strauch sagt: »Das ist für uns die Basis, auf der wir loslegen.«

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