Corona-Studie an Uni Gießen: Kein Effekt von Ausgangssperren in Hessen

Eine Studie der Universität Gießen findet „keine statistisch signifikanten Beweise“ für die Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren. Ausgewertet wurden die Inzidenz-Werte hessischer Landkreise.
Gießen – Was bringen nächtliche Ausgangssperren? Diese Frage erhitzt die Gemüter. Schließlich haben in den vergangenen Wochen und Monate zahlreiche Landkreise nächtliche Ausgangssperren oder zumindest Ausgangsbeschränkungen erlassen, um die Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. Doch der Nutzen der Maßnahme bleibt umstritten. Angeheizt wird die Debatte nun durch eine Studie von Forschern der Justus-Liebig-Universität in Gießen, deren vorläufige Ergebnisse jüngst ohne vorherige Prüfung durch andere Wissenschaftler veröffentlicht wurden. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass nächtliche Ausgangssperren keine effektive Maßnahme zur Eindämmung der Virusübertragung sind, wenn andere nicht-pharmakologische Interventionen bereits eingeführt wurden“, lautet das Fazit der Autoren.
Studie der Uni Gießen: „Keine statistisch signifikanten Beweise“ für die Wirkung von Ausgangssperren
Zwischen dem 18. November 2020 und dem 28. Februar 2021 haben die Forscher der Universität Gießen die Sieben-Tage-Inzidenzen von Hessischen Landkreisen ausgewertet und sich dabei auf die Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) bezogen. In 15 der 26 hessischen Landkreise hatten innerhalb dieses Beobachtungszeitraums zeitweise nächtliche Ausgangssperren gegolten. Die durchschnittliche Dauer einer Ausgangssperre betrug dabei 28 Tage, ein Effekt war laut den vorläufigen Studienergebnissen jedoch nicht nachzuweisen. „Wir finden keine statistisch signifikanten Beweise für einen Einfluss von nächtlichen Ausgangssperren auf die Ausbreitung der Pandemie“, schreiben die Autoren.
Wenn weitere Maßnahmen wie zum Beispiel eine Begrenzung des Bewegungsradius der Einwohner oder die Beschränkung des erlaubten Sports auf Indoor-Einzelsportarten in einem Landkreis gleichzeitig mit der nächtlichen Ausgangssperre verhängt wurden, waren die Auswirkungen der einzelnen Regeln für die Forscher nicht voneinander zu trennen. Deshalb habe man in diesen Fällen den Effekt des gesamten Maßnahmenbündes untersucht, heißt von Seiten der Autoren. Das Ergebnis, dass kein signifikanter Effekt erzielt worden sei, gelte in diesen Fällen für das gesamte Maßnahmenbündel.

Bundesnotbremse: Nächtliche Ausgangssperren vorgesehen
Die Ergebnisse ordnen die Autoren zwar selbst ausdrücklich als vorläufig ein, doch in der Debatte um nächtliche Ausgangssperren fühlen sich viele Kritiker abermals bestätigt. „Wieso soll das Virus nachts ansteckender sein als am Tag?“, lautet ein oft angebrachtes Scheinargument, das verkennt, dass es bei der Maßnahme schlicht um eine Reduzierung der Mobilität bzw. um die Reduzierung privater Besuche geht. Ob nächtliche Ausgangssperren dazu das geeignete Mittel sind, bleibt dennoch umstritten*: So weist eine Studie der Humboldt-Universität Berlin und des Robert Koch Instituts darauf hin, dass der Effekt von nächtlichen Ausgangssperren auf die Mobilität gering sein dürfte, da diese im Zeitraum zwischen 22 und 5 Uhr ohnehin wenig ausgeprägt ist. Eine Studie aus Oxford deutet zudem daraufhin, dass der Effekt einer nächtlichen Ausgangssperre nur halb so hoch ist wie es die generelle Einschränkung privater Treffen wäre.
Doch umstritten oder nicht: Nächtliche Ausgangssperren wird es in Deutschland wohl auch in den kommenden Wochen geben. So sieht die Bundesnotbremse, eine solche für Regionen vor, deren Sieben-Tage-Inzidenz an drei Tagen in Folge über der 100er-Marke liegt. Demnach soll man von 22 Uhr abends bis 5 Uhr morgens die eigene Wohnung oder das Grundstück nicht verlassen dürfen. Ausnahmen sollen unter anderem für Notfälle, die Berufsausübung, Pflege und Betreuung und die Versorgung von Tieren gelten. Zudem soll es bis Mitternacht erlaubt sein, alleine joggen oder spazieren zu gehen.
*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.