»Aufbruch mit Anstrengung«

Das Uniklinikum Gießen und Marburg wird in den nächsten zehn Jahren mit 850 Millionen Euro unterstützt. Bereits am Montag hatten Land, UKGM und Rhön-Klinikum einen entsprechenden Vertrag unterschrieben. Am Dienstag nannten die Beteiligten bei einer Pressekonferenz in Marburg erste Details.
Manche Verträge tragen Namen, die eine strahlende Zukunft versprechen. Bei der Vereinbarung zwischen dem Land Hessen, dem Uniklinikum Gießen und Marburg (UKGM) und der Rhön-Klinikum AG ist dies auch der Fall. Sie heißt »Zukunftspapier Plus« und soll dem UKGM in den nächsten zehn Jahren Investitionshilfen in Höhe von 850 Millionen Euro bringen. Dabei spielt hier die Vergangenheit sehr wohl eine zentrale Rolle. Während Vertreter von Land und Klinikbetreiberin bei der Pressekonferenz am Dienstag in der Marburger Unibibliothek auf ihr zwei Jahre andauerndes Tauziehen zurückblickten, übernahm der Ärztliche Geschäftsführer des UKGM, Prof. Werner Seeger, die Rolle des unbequemen Archivars: Bereits vor 18 Jahren sei klar gewesen, dass mit der Privatisierung des UKGM die duale Finanzierung - Betriebskosten der Krankenhäuser werden von den Krankenkassen, Investitionskosten durch das Land finanziert - ausgehebelt werde. »Es ist ein Wunder, dass das 18 Jahre gut gegangen ist«, betonte Seeger. Umso mehr sei die nun geschlossene Vereinbarung ein »emotionaler Moment« und ein »Aufbruch mit Anstrengung«.
Unterschiedliche Haltungen
Zwei Jahre lang hatten das Land und die zum Asklepios-Konzern gehörende Rhön AG diskutiert, wie die Rahmenbedingungen für eine finanzielle Unterstützung des UKGM aussehen könnten. Ende Januar 2022 schienen die Verhandlungen auf einem guten Weg zu sein, als die Beteiligten in Gießen ein Eckpunktepapier vorstellten. Das UKGM sollte vom Land bis zu einer halben Milliarde Euro Investitionshilfen erhalten. Doch Monate später kündigte die Klinikbetreiberin eine Zukunftsvereinbarung für das Krankenhaus von 2017 - für Wissenschaftsministerin Angela Dorn ein »Tiefpunkt der Verhandlungen«. Als der bisherige Rhön-Vorstandsvorsitzende Christian Höftberger seinen Posten räumte und durch Prof. Tobias Kaltenbach ersetzt wurde, kam Bewegung in die Verhandlungen. Dass diese so komplex waren, hänge mit den unterschiedlichen Haltungen von Politik und Unternehmertum, Gemeinwohl und wirtschaftlichen Interessen zusammen, sagte Dorn.
Fast 850 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren in Gebäude und Technik an den Standorten Gießen und Marburg fließen. In einer vorherigen Vereinbarung waren 800 Millionen Euro in Aussicht gestellt worden. Wie Finanzminister Michael Boddenberg sagte, sollen die zusätzlichen 50 Millionen Preissteigerung im Bausektor ausgleichen. Falls die Inflation während der Laufzeit des Vertrages über zehn Prozent steige, seien Anpassungsklauseln vereinbart worden.
Betriebsbedingte Kündigungen sollen ausgeschlossen bleiben, ebenso die Ausgliederung von Betriebsteilen. Ausnahmen kann es nur mit Zustimmung des Landes geben - im Gegenzug für die gleichzeitige Wiedereingliederung derzeit ausgelagerter Bereiche. Auch die Übernahmegarantie für Auszubildende gilt weiter. Dieser Schutz gilt nicht für Beschäftigte der UKGM Service GmbH.
Wie Ministerin Dorn sagte, übernehme das Land zwei Drittel der Investitionskosten, ein Drittel das Unternehmen. »Dabei ist wichtig, dass die Gewinne des UKGM auch dort bleiben.« Rhön habe sich verpflichtet, Eigenmittel bereitzustellen, sollte das UKGM die Mittel nicht völlig selbst erwirtschaften können. Damit ist auch klar, dass sich das UKGM bei den Investitionen weiter selbst einbringen muss.
Beginnend mit diesem Jahr erhält das UKGM eine Landesförderung von 48,15 Millionen Euro. Dieser Betrag soll in festgelegten Raten über zehn Jahre hinweg jährlich gesteigert werden. Das UKGM wird Mittel bereitstellen, die sich im selben Maß wie die Landeszuwendungen steigern, beginnend in diesem Jahr mit 23,5 Millionen Euro. Die Investitionssumme kommt Gießen und Marburg gleichmäßig zugute. Rund zwei Drittel sind für Bauprojekte, rund ein Drittel für Geräte vorgesehen.
Bestandteil der Vereinbarung ist wieder eine Change-of-Control-Klausel. Damit sichert sich das Land für den Fall eines Kontrollwechsels in der Eigentümerstruktur ein Rückkaufrecht. »Uns war auch wichtig zu regeln, was mit den Mitteln des Landes bei einem möglichen Rückkauf oder Verkauf des Klinikums geschieht«, sagte Dorn. »Wir haben ein Berechnungsverfahren vereinbart, das sicherstellt, dass dann der jeweilige Restwert an das Land zurückfließt.«
Signal für Mitarbeiter
Während der Vorsitzende der UKGM-Geschäftsführung Gunther Weiß von einem »sehr wichtigen und positivem Signal« für Patienten, Mitarbeitern sowie den Forschungs- und Gesundheitsstandort Mittelhessen sprach, erinnerte Seeger daran, dass die Klinikdirektoren immer wieder gefordert hatten, die Arbeits- und Finanzierungsbedingungen des UKGM denen anderer deutscher Universitätskliniken anzugleichen. Er sagte: »Ich bin unendlich erleichtert, dass nun ein fundamentaler Schritt in diese Richtung gegangen worden ist.«