Anzeige schon vor vier Wochen
Darmstadt/Groß-Gerau - Vier Infektionen wegen verkeimten Essens und massive Probleme mit der Sauberkeit: Nach Bekanntwerden der Hygienemängel in einem Lebensmittelbetrieb in Südhessen mit einem Todesfall hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt gestern ein Ermittlungsverfahren gegen den Inhaber der Firma bestätigt. Nach einer Anzeige der Kreisverwaltung Groß-Gerau vor knapp einem Monat werde wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ermittelt, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Es gehe um den möglichen Ausbruch von Listerien in dem Betrieb. Die Anzeige sei vom 21. März.
Der Kreis und das für eine Task-Force Lebensmittelsicherheit zuständige Regierungspräsidium in Darmstadt sprachen am Montag von vier Infizierten. Einer soll demnach infolge der Infektion gestorben sein, ein weiterer später, aber nicht wegen der Hygienemängel. »Ob der Ausbruch ursächlich für das Versterben von Menschen war, kann aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden«, hieß es dagegen gestern bei den Ermittlern. Die Betroffenen infizierten sich zwischen Oktober 2021 und Januar 2022.
Landrat Thomas Will (SPD) sprach am Montag von einer belastenden Situation. Die Verantwortlichen des Kreises sehen erhebliche Mängel bei den Kontrollen. Obwohl dieser Betrieb zweimal im Jahr hätte kontrolliert werden müssen, sei dies in Zeiten der Pandemie nicht passiert. Die Hygienemängel wurden Mitte Februar festgestellt. Dass der Fall erst am Wochenende nach einem Bericht der »Welt am Sonntag« zwei Monate nach Feststellung der Mängel öffentlich wurde, hat nach Angaben Wills damit zu tun, dass noch Fragen geklärt werden müssten. Dass bereits vor vier Wochen Anzeige erstattet wurde, dazu äußerte sich der Kreis gestern nicht. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte eine Reformierung der Lebensmittelüberwachung. Für die Kontrollen seien Hunderte kommunaler Behörden zuständig. Sie würden oft an Personalmangel leiden und hielten die meisten Kontrollergebnisse geheim. Es brauche eine unabhängige Landesanstalt für Lebensmittelüberwachung pro Bundesland, die genug Personal besitze und alle Ergebnisse veröffentlichen muss. Die oppositionelle FDP will nun von der hessischen Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) Aufklärung im Landtag. »Gut zwei Jahre nach dem Wilke-Wurst-Skandal hat die Ministerin einen weiteren Lebensmittelskandal zu verantworten, und erneut sind die Mängel nicht durch funktionierende Kontrollen aufgefallen«, teilte die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der FDP, Wiebke Knell, gestern mit. Erst ein Todesfall und Erkrankungen hätten zu einem Bekanntwerden geführt. Die hessische SPD forderte schon am Wochenende Hinz auf, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Die größte Oppositionspartei im Landtag verwies ebenfalls auf den Skandal um den nordhessischen Wursthersteller Wilke und warf Hinz Tatenlosigkeit sowie bewusstes Inkaufnehmen des Verlusts von Menschenleben vor. dpa