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Anzahl der Bahnübergänge halbiert

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In Kriftel ist am Sonntag ein sehbehinderter Mann von einer S-Bahn erfasst und tödlich verletzt worden. Nicht der einizige tödliche Unfall an hessischen Bahnübergängen in den vergangenen Tagen. Insgesamt sind seit dem Wochenende drei Menschen ums Leben gekommen. © DPA Deutsche Presseagentur

Innerhalb einer Woche gab es in Hessen drei Todesfälle an Bahnübergängen. Speziell in Kriftel kündigt die Bahn eine Überprüfung an und verweist darauf, dass die Unfallzahlen in den letzten Jahren stark gesunken sind. Zudem warnt das Unternehmen auch vor Leichtsinn.

In der vergangenen Woche starben drei Menschen an Bahnübergängen in Hessen. Das ist nach Einschätzung der Deutschen Bahn eine außergewöhnliche Häufung. Insgesamt aber seien die Unfallzahlen rückläufig, berichtet eine Bahnsprecherin auf Anfrage unserer Zeitung.

In Korbach ist am Montag ein 57 Jahre alter Traktorfahrer beim Überqueren eines unbeschrankten Bahnübergangs ums Leben gekommen. Am Abend zuvor war ein sehbehinderter Mann gestorben, der mit seinem Assistenzhund trotz geschlossener Schranke einen halb beschrankten Bahnübergang in Kriftel im Main-Taunus-Kreis betreten hatte. Zuvor war am Sonntagmorgen ein Fußgänger an einem unbeschrankten Bahnübergang im südhessischen Bürstadt im Kreis Bergstraße von einem Zug erfasst und tödlich verletzt worden.

Speziell der Fall in Kriftel, bei dem der Kreisbeigeordnete Werner Moritz-Kiefert (74) starb, schlägt hohe Wellen. Hatte es doch am gleichen Bahnübergang Jahre zuvor schon einmal einen tödlichen Unfall gegeben. Und trotz eindringlicher Forderungen aus der Kommunalpolitik lehnte die Bahn eine Verbesserung der Sicherheit bislang ab.

Zahl der Unfälle stark gesunken

Nun hat die Bahn zugesagt, »den Bahnübergang unabhängig von dem Ergebnis der noch laufenden Untersuchung zur Unfallursache zu überprüfen, um zu schauen, ob hier eine Veränderung sinnvoll und machbar wäre«, erklärt eine Bahnsprecherin. »Noch in dieser Woche haben wir aufgrund der aktuellen Ereignisse ein Gespräch mit der Gemeinde vereinbart«, erläutert sie.

Um festzustellen, ob die vorhandene Beschilderung und Technik noch ausreichend sei, beziehungsweise ob etwas angepasst werden müsse, finde voraussichtlich im Mai eine Sonderverkehrsschau an Ort und Stelle statt.

»Die Gemeinde Kriftel bemüht sich seit 2012, den Bahnübergang an der Paul-Duden-Straße sicherer zu machen«, gibt der Erste Beigeordnete Franz Jirasek aus aktuellem Anlass zu bedenken. Doch die Bahn habe bislang alle Vorschläge abgewiesen, kritisiert Jirasek. Die Kommunalpolitiker wollten erreichen, dass anstelle der Halbschranke eine Vollschranke installiert wird oder ein akustisches Warnsystem.

Insgesamt arbeite die Bahn zusammen mit dem Bund und kommunalen Partnern daran, Bahnübergänge zu beseitigen, teilt die Sprecherin mit. So sei die Anzahl der Kreuzungen zwischen Schiene und Straße seit 1950 mehr als halbiert worden. Habe es Mitte der 90er Jahre bundesweit noch 28 000 Bahnübergänge gegeben - die Hälfte davon ungesichert -, seien es Ende 2020 nur noch 16 098 Anlagen gewesen.

In Hessen gibt es 1182 Bahnübergänge. Fast zwei Drittel sind laut Bahn technisch gesichert, der Großteil davon mit Blinklichtern oder Lichtzeichen mit Halb- oder Vollschranken. Die Sicherung hänge von der Art der Bahnstrecke, der Geschwindigkeit der Züge sowie der Verkehrsstärke auf der Straße ab. Wo Züge schneller als 160 Kilometer pro Stunde fahren, seien Bahnübergänge nicht erlaubt.

Um festzustellen, ob Beschilderung und Technik noch ausreichend seien, fänden turnusmäßig »Verkehrsschauen« statt. Nach Unfällen würden Sonderverkehrsschauen durchgeführt - wie in Kriftel.

Dank der Maßnahmen hätten sich die Unfallzahlen stark verringert. 2020 passierten 114 Unfälle an Bahnübergängen, 1995 seien es noch 603 Kollisionen gewesen. Die Zahl der Unfälle sei somit um mehr als drei Viertel gesunken.

Die Bahnsprecherin appellierte auch an die Verkehrsteilnehmer: »Rot heißt Stopp, ebenso wie geschlossene Voll- oder Halbschranken«, betont sie. Die Praxis sehe jedoch oft anders aus: Leichtsinn und Ungeduld verleiteten manch einen zu riskanten Aktionen. Das sei aber »lebensgefährlich«.

Die Bahn zieht Konsequenzen

Konsequenzen zog die Bahn nach einem Unfall am Bahnübergang in Frankfurt-Nied. Dort war 2020 eine 16-Jährige bei offener Schranke von einem Zug erfasst worden. Das Mädchen starb, ein Radfahrer sowie eine Autofahrerin wurden schwer verletzt. Ursache war ein Fehler der Schrankenwärterin: Sie soll unmittelbar vor einem herannahenden Zug die Schranken geöffnet haben.

Der Bahnübergang in Nied stand seit Jahrzehnten in der Kritik, weil er in einer Kurve an einer viel befahrenen, unübersichtlichen Kreuzung liegt. Inzwischen hat die Bahn nach eigenen Angaben die technische Sicherungsanlage am Bahnübergang Oeserstraße erneuert. Das Bahnpersonal bediene die Schranken nun nicht mehr selbst, die Züge würden vollautomatisch gesteuert. Weitere Neuerungen seien geänderte Vorfahrtsregelungen im Straßenverkehr. Dass sich die Schranken schließen, zeigten den Verkehrsteilnehmern sowohl gelbe und rote Lichtzeichen als auch ein akustisches Warnsignal an.

Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, seien die Fußgängerüberwege jetzt deutlicher von der Straße abgegrenzt und hätten eigene Fußwegschranken. Im zweiten Schritt folge noch der Bau einer Unterführung für Fußgänger und Radfahrer. Als Letztes solle bis zur »zweiten Hälfte der 2020er Jahre« eine Unterführung für den Straßenverkehr mit zusätzlichem Rad- und Fußweg entstehen.

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