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Angeklagter fordert seinen Freispruch

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Frankfurt - Im Prozess um die »NSU 2.0«-Drohschreiben ließ es sich der Angeklagte Alexander M. nicht nehmen, beim Schlussvortrag der Verteidigung am Donnerstag vor dem Landgericht Frankfurt in eigener Sache zu plädieren. Ausführlich und mit deutlichem Berliner Dialekt legte er dar, warum seiner Meinung nach in dem Verfahren kein Tatnachweis erbracht worden sei.

»Es müsste mindestens noch ein Mittäter da sein. Ich selbst bestreite jede Tatbeteiligung«, sagte der 53-jährige Berliner und forderte Freispruch sowie Haftverschonung.

Er habe die Drohschreiben gegen Rechtsanwältinnen, Politikerinnen und andere Personen des öffentlichen Lebens nicht verfasst, so M. Er sei lediglich Mitglied einer Chat-Gruppe im Darknet gewesen, aus der er später herausgeschmissen worden sei. »Ich wurde mächtig in die Pfanne gehauen in Zusammenarbeit mit der Polizei«, polterte der Angeklagte, der sich während des Prozesses wiederholt lautstark und aggressiv zu Wort gemeldet und die laufende Verhandlung unterbrochen hatte. Doch auch die Schreiben, in denen etwa der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz mit der »Schlachtung« ihrer Tochter gedroht worden sei, seien niemals ernsthaft gewesen: »Das Projekt NSU 2.0 war nur Herumtrollerei auf hohem Niveau«, sagte M.

Völlig anders die Sicht der Nebenklägerinnen: Die Anwältin der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Die Linke) sah, anders als die Anklagebehörde, den Tatbestand einer besonders schweren Nötigung erfüllt. Die Drohschreiben gegen ihre Mandantin als Mitglied des Parlaments sei auch ein Angriff gegen die Demokratie, sagte sie am Donnerstag, ohne ein konkretes Strafmaß zu fordern. Ziel der Schreiben sei es gewesen, die darin von Gewalt bedrohten Menschen zu zwingen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, ihren Beruf aufzugeben oder gar das Land zu verlassen.

Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gegen Alexander M. gefordert. Verurteilt werden solle er unter anderem wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung.

Die Verteidiger von M. warfen der Staatsanwaltschaft am Donnerstag vor, in ihrem Plädoyer nicht auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme vor Gericht, sondern nur auf das Ermittlungsverfahren eingegangen zu sein. Ihr gehe es vor allem um die »Ablenkung von Missständen in kleinen Teilen der Frankfurter Polizei«. Zudem habe die Staatsanwaltschaft eine »unverhältnismäßig hohe Strafmaßforderung« gestellt. Bei den dem Angeklagten vorgeworfenen Taten handele es sich überwiegend um Vergehen, nicht um Verbrechen.

Am nächsten Verhandlungstag am 17. November soll M. die Möglichkeit für das traditionelle »letzte Wort« haben, anschließend könnte das Urteil folgen. In seinem Schlussvortrag der Verteidigung deutete Alexander M. allerdings an, er habe nun alles gesagt: »Das war’s!« dpa

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