Abwasser ohne resistente Keime

Für Wasser, das in Kläranlagen gereinigt und dann in Gewässer geleitet wird, gelten strenge Vorgaben und Grenzwerte. Dennoch befinden sich darin Stoffe, die der Natur und letztlich den Menschen schaden können. Forscher machen sich Gedanken, wie man das Problem lösen könnte.
Bei den Stoffen, um die es geht, handelt es sich beispielsweise um Mikroplastik, Chemikalien aus Haushalt und Industrie, Arzneimittelrückstände oder antibiotikaresistente Keime. Diese Stoffgruppen sind bislang nicht reguliert. Im Wiesbadener Hauptklärwerk, in dem täglich rund 50 000 Kubikmeter Abwasser aus großen Teilen der Innenstadt und den nördlichen und östlichen Vororten gereinigt werden, wird erforscht, wie sich diese Stoffe entfernen lassen - mit teils beachtlichen Ergebnissen. Die Technik, die für die hessenweit einmalige Versuchsreihe gebraucht wird, ist in zwei grünen Containern auf dem Werksgelände untergebracht. Vereinfacht wird Wasser, das bereits die drei Stufen der konventionellen Klärung durchlaufen hat, nochmals gereinigt - und zwar mithilfe von Aktivkohle und Membranfiltern kombiniert in einer Anlage. Dieser zusätzliche Vorgang dauert etwa zwei bis drei Stunden.
Genmaterial aus Wasser entfernen
Die Firma Mann+Hummel Water & Fluid Solutions hat das membrangestützte Pulveraktivkohleverfahren entwickelt. Forscher der Technischen Universität Darmstadt und der Hochschule Darmstadt begleiten das Projekt, das 2019 begann, wissenschaftlich. Sie analysieren die Proben und prüfen, ob das Verfahren neben den multiresistenten Keimen auch deren wesentlich kleineres Genmaterial aus dem Abwasser entfernen kann. Diese Genbruchstücke sind in der Lage, Erbinformationen an andere Keime weiterzugeben. Multiresistente Keime, also solche, die gelernt haben, sich der Wirkung verschiedener Antibiotika zu entziehen, alarmieren Expertinnen und Experten. Das medizinische Fachmagazin »The Lancet« hatte Anfang des Jahres berichtet, dass Schätzungen zufolge 2019 mehr als 1,2 Millionen Menschen weltweit unmittelbar an einer Infektion mit einem antibiotikaresistenten Erreger gestorben seien. Bei weiteren 3,68 Millionen Todesfällen sei eine solche Infektion mitverantwortlich für den Tod gewesen. Schon heute gehören Antibiotikaresistenzen zu den häufigsten Todesursachen weltweit.
Weil konventionell betriebene Kläranlagen zwar einen gewissen Teil von Bakterien, aber eben nicht alle herausfiltern können, testen Forschende verschiedene Methoden für Kläranlagen. Das in Wiesbaden angewandte Verfahren erziele eine sehr gute Reinigungsleistung, sagt Professorin Susanne Lackner von der TU Darmstadt. 99,99 Prozent der Antibiotikaresistenzgene hätten aus dem Wasser entfernt werden können. »Wir sind nicht bei 100 Prozent. Nun untersuchen wir, warum das so ist.« Die Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden, die neben dem Hauptklärwerk noch ein Klärwerk im Stadtteil Biebrich betreiben, haben schon gerechnet. Rund 30 bis 35 Millionen Euro würde der Bau einer solchen Anlage kosten. Umgelegt auf die Bürger bedeute das Mehrkosten von etwa zehn Euro pro Person pro Jahr - »konservativ gerechnet«, sagt Professorin Lackner. Die Planung und Umsetzung würde einige Jahre dauern.