365-Euro-Jahresticket für Arme
Wiesbaden - Geringverdienende sollen nach Vorstellungen der hessischen Grünen künftig für einen Euro am Tag den öffentlichen Personennahverkehr nutzen können - mit einer 365-Euro-Jahreskarte. Das auf drei Monate befristete 9-Euro-Ticket dürfe lediglich der Anfang sein, fordern sie. Angesichts der weiterhin hohen Treibstoffpreise habe der Bund Sorge dafür zu tragen, dass sich Familien mit kleinen Einkommen über den Monat August hinaus Mobilität leisten können.
Als Anschlusslösung schlagen die Grünen das Angebot vor, mit dem in Hessen bereits Senioren und Schüler unterwegs sind. »Für uns wäre das eine überaus sinnvolle Ergänzung zu den bereits vorhandenen 365-Euro-Tickets«, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner.
Grüne sehen Bund in der Pflicht
Die aktuelle Fahrkarte aus dem Entlastungspaket des Bundes ist attraktiv - wegen des Preises und der deutschlandweiten Gültigkeit. Entsprechend hoch ist die Nachfrage: Knapp eine Million 9-Euro-Tickets wurden in Hessen im Juni verkauft, 21 Millionen in Deutschland. Für Grünen-Fraktionschef Wagner beweisen die Zahlen, dass sehr viele Menschen auf Busse und Bahnen umsteigen wollen. »Klimaverträgliche Mobilität ist möglich. Sie sollte möglichst einfach und attraktiv sein - sowohl beim Angebot wie auch bei den Preisen.« Die »gigantische Werbeaktion für den ÖPNV« bedürfe einer sinnvollen und dauerhaften Anschlussregelung. Darüber, so Wagner, müsse jetzt eine Debatte beginnen.
Medienberichten zufolge gibt es in Berlin bereits Überlegungen, die Förderung des Nahverkehrs in veränderter Form als Klimaticket fortzuführen. Nach Ansicht der Grünen ist der Bund gefragt: Er müsse sich dauerhaft stärker an den Kosten beteiligen, damit die Länder und die Kommunen das vorhandene Angebot aufrechterhalten und ausbauen können, und er müsse die 365-Euro-Jahreskarte für Menschen mit geringem Einkommen subventionieren.
Armutsrate gestiegen
Nach Ansicht des Paritätischen in Hessen geht der Vorschlag der Grünen nicht weit genug. Er reiche bei Weitem nicht aus, um die Folgen der Armut zu lindern. Die Armutsrate sei in Hessen binnen eines Jahres von 17,4 auf 18,3 Prozent gestiegen. Die Einmalzahlung aus dem Entlastungspaket sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagte Sprecherin Barbara Helfrich.
Dass die normalen Preise eine ganze Gruppe von Menschen von Mobilität ausschließen, haben hessische Städte längst erkannt. Der Frankfurt-Pass etwa ermöglicht einkommensschwächeren Bürgerinnen und Bürgern, ermäßigte RMV-Zeitkarten für das Stadtgebiet einschließlich Flughafen zu kaufen. In Darmstadt können Menschen mit geringem Einkommen mit dem sogenannten Sozialticket vergünstigt im Stadtgebiet unterwegs sein. Jutta Rippegather