100-Tage-Ultimatum an Rhön AG

Beschäftigte der Uniklinik in Gießen und Marburg übergeben heute ihre Forderungen nach einem Entlastungstarifvertrag und besserem Kündigungsschutz an Rhön und stellen gleichzeitig ein Ultimatum: Sollte der Klinikbetreiber nicht einlenken, sind die Angestellten bereit zu streiken.
Man fühlt sich einfach super schlecht«, sagt Michaela Newel. Die Krankenschwester von der Kinderonkologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) macht sich auf einer Pressekonferenz von Verdi Luft: Seit sie 2017 am UKGM angefangen hatte zu arbeiten, habe die Qualität der Pflege stetig abgenommen. Für die Kommunikation mit den Eltern gebe es keine Zeit mehr, auf manche Kinder könne Newel nur noch zu Beginn und Ende der Schicht einen kurzen Blick werfen. Man merkt, dass das der Krankenschwester nahegeht, und sie ärgert sich: »Wir haben uns so lange schon mit Hilferufen an die Politik und den Arbeitgeber gewandt.« Aber nichts sei geschehen. Deswegen geben die nicht ärztlichen Angestellten am UKGM sowohl in Marburg wie auch in Gießen am heutigen Mittwoch um 14 Uhr eine Absichtserklärung für einen Entlastungstarifvertrag und einen stärkeren Kündigungsschutz ab - verknüpft mit einem 100-Tage-Ultimatum. Newel sagt: »Sonst sind wir auch bereit, als letztes Mittel der Wahl in den Streik zu gehen.«
Stopp für weitere Ausgliederungen
Dabei gab es erst vergangene Woche ein positives Signal für Deutschlands einzige Universitätsklinik in privater Hand: Der Betreiber Rhön und das Land Hessen hatten einen Durchbruch in den Verhandlungen um die weitere Finanzierung des Krankenhauses bekannt gegeben. Doch Verdi-Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm relativiert: »Aus unserer Sicht sind die Probleme am Uniklinikum mit dieser Erfolgsmeldung auf keinen Fall gelöst.« Vielmehr gebe es aus Sicht von Verdi weiterhin zwei Baustellen.
Zum einen geht es um die Beschäftigungssicherheit für die nicht ärztlichen Klinik-Angestellten. Verdi fordert im Zuge dessen einen Stopp von betriebsbedingten Kündigungen, aber auch ein Ausgliederungsverbot. Rhön soll keine Aufgaben an der Uniklinik mehr zu Subunternehmen auslagern dürfen, wie es in der Vergangenheit zum Beispiel mit der Service GmbH geschehen war.
Keine Zeit, um sich zu beschweren
Die zweite Baustelle aus Sicht von Verdi betrifft die Arbeitsbelastung an der Uniklinik. »Man sieht die Situation gerade auf den Kinderstationen«, sagt Dzewas-Rehm. Es könne doch nicht sein, dass in einem der reichsten Länder nicht genügend Kinderkrankenpfleger da seien, um die Patienten vernünftig zu versorgen. Ein Problem sei es, dass in Deutschland nur ein Mindeststandard für das Zahlenverhältnis von Patienten zu Pflegekräften festgeschrieben sei. Aber wenn der unterschritten werde, passiere meist doch nichts. »Die Kolleginnen und Kollegen baden es dann aus«, sagt der Gewerkschafter. Allenfalls werde eine Überlastungsanzeige an die Geschäftsführung geschrieben. Das sei am Standort Gießen 650-mal in diesem Jahr geschehen. »Aber das ist keine repräsentative Zahl.« Tatsächlich haben Mitarbeiter oft nicht einmal die Zeit dafür, eine Überlastungsanzeige zu schreiben oder machen es nicht, weil es keine Konsequenzen habe, sagt Dzewas-Rehm.
Um den Entlastungs-Tarifvertrag auf den Weg zu bringen, will die Gewerkschaft nun in allen Bereichen und allen Stationen der Uniklinik von den Angestellten eine Einschätzung über den nötigen Pflegeschlüssel einholen. Wenn dieser in Zukunft unterschritten werden sollte, dann solle das Konsequenzen für die Angestellten haben, die unter der höheren Belastung arbeiten müssen. Dzewas-Rehm sagt: »Das könnte mehr Geld sein, aber auch mehr Freizeit.«
Die Gewerkschafter erklären, dass eine deutliche Mehrheit der Mitarbeiter hinter diesen Forderungen steht und geben sich kämpferisch. Und so klingt auch der Titel der Absichtserklärung, die heute übergeben werden soll: »Gebraucht, beklatscht, aber bestimmt nicht weiter so!«