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Zwischen Mittelmeer und Lahn

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Von: Burkhard Möller

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Der Strand ist die Attraktion von Netanya, Gießens israelischer Partnerstadt. © Red

Um eine Städtepartnerschaft zu fördern, braucht man einen langen Atem. Marion Balser hat ihn. Seit mehr als 20 Jahren führt die Reiskirchenerin den Verein zur Förderung der Partnerschaft zwischen Gießen und dem israelischen Netanya, der jetzt seinen 25. Geburtstag nachholt. Die Partnerschaftsvereine bereiten ihr generell Sorgen.

Die Auftritte des Nitzan-Chors sorgen immer wieder für begeisterte Reaktionen beim Publikum. Insofern dürfen sich die Freunde von Chormusik schon freuen, wenn die »Stimmen aus dem Heiligen Land« nächste Woche drei Konzerte im Kreis Gießen geben werden. »Der Chor tritt immer wieder sehr gerne bei uns auf«, sagt Marion Balser.

Die Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Gießen-Netanya hat es also wieder einmal geschafft, junge Gäste aus der Partnerstadt am Mittelmeer nach Gießen zu lotsen. Trotz oft schwieriger Rahmenbedingungen wie der politischen Lage im Nahen Osten, der Corona-Pandemie oder der Reisefinanzierung ist der Austausch zwischen Gießen und Netanya einer der regeren. Zum Leidwesen von Balser verläuft er aber oft in einer Einbahnstraße - aus Netanya nach Gießen. »Der Chor kommt gerne, aber es gibt auch die Erwartung, dass es Gegenbesuche gibt. Leider wurden einige aufgrund der politischen Lage in Israel kurzfristig abgesagt«, berichtet Balser. Nachrichten über Terroranschläge oder Raketenbeschuss seien dem Austausch nicht dienlich. »Freunde von mir haben die letzten Tage auch wieder im Schutzraum gesessen«, berichtet Balser. Trotzdem seien das 220 000 Einwohner zählende Netanya und andere israelische Städte genauso sicher wie größere Städte in Deutschland. »Wir hören immer auf die Informationen unsere Freunde in Israel. Ich hatte noch nie Angst«, sagt sie.

Die Initiative zur Gründung des Partnerschaftsvereins Gießen-Netanya im Juli 1996 ging von der Kommunalpolitik aus, und zwar partei- und lagerübergreifend, was damals eher selten war. Nachdem Delegationen der Jungen Union, der Grünen und der FDP Israel bereist, die Partnerstadt besucht und dort unter anderem mit dem früheren Wiesecker und OB von Netanya, Avraham Bar-Menachem, gesprochen hatten, wurde die Notwendigkeit gesehen, einen Verein zu gründen, der diese wichtige Beziehung fördert.

Da sich Marion Balser schon damals für Israel und jüdisches Leben interessierte, ging sie im Juni 1996 zu einer Versammlung des Gründungsausschusses ins Dachcafé, nachdem sie eine kleine Pressenotiz gelesen hatte. An die Veranstaltung erinnert sie sich noch heute mit etwas Beklemmung. »Da waren ja nur Politiker, das war überhaupt nicht mein Ding.« CDU-Urgestein Trude Rendel und Eva Maria Schmitt-Thomas von der FDP hätten sie damals davon abgehalten, die Versammlung vorzeitig zu verlassen und sie überredet, sich im Verein zu engagieren.

Das hat Marion Balser dann getan: 2001 wurde sie in der Nachfolge des FDP-Politikers Dr. Reinhard Kaufmann und des Journalisten Thorsten Winter zur Vorsitzenden gewählt. »Seit fast 21 Jahren mache ich das jetzt«, blickt sie auf bewegte Jahre und bewegende Begegnungen zurück. Zum Beispiel mit »Jossi« Stern, der in Israel einen Verein für ehemalige jüdische Bürger aus Gießen und dem Kreisgebiet gründete, die die Shoa in alle Winde verstreut hatte. Oder mit dem Holocaust-Überlebenden Tommy Breuer, der als Lehrer den Jugendaustausch förderte und vor Gießener Schulklassen Zeugnis abgelegt hat, was ihm und Millionen anderen jüdischen Menschen damals widerfahren ist. Und natürlich mit Gießens Ehrenbürger Bar-Menachem. »Er hat mir immer wieder ans Herz gelegt, wie wichtig der Austausch ist. Man hat gespürt, wie stark er noch an seiner alten Heimat Gießen hängt«, sagt Marion Balser.

Hoffnung auf

Schulpartnerschaften

Von der sogenannten Erlebnisgeneration indes lebt heute fast niemand mehr, was ein Problem auch für die Städtepartnerschaft ist. Die von der Stadt früher regelmäßig organisierte und vom Förderverein unterstützte Begegnungswoche in Gießen, zu der ehemalige Gießener Juden und ihre Familien eingeladen wurden, findet nicht mehr statt.

Trotzdem bleibt Marion Balser am Ball, auch wenn ihr die Gesamtentwicklung der Partnerschaftsvereine Sorgen bereitet. Einige Vereine hätten sich praktisch aufgelöst, zuletzt habe der Deutsch-Tschechische Freundeskreis aufgegeben. Junge Leute fehlten, auch in ihrem Verein. Ihre Hoffnung setzt Balser auf weitere Schulpartnerschaften mit Netanya, zuletzt habe die Gesamtschule Gießen-Ost Interesse angemeldet.

Unterstützt wird die Vorsitzende vor allem von ihrem Vorstandskollegen Gerd Zörb und auf israelischer Seite von Edna Spitzer, die sich für die Stadtverwaltung von Netanya um die Städtepartnerschaften mittlerweile ehrenamtlich kümmert. Mit ihr ist Marion Balser auch privat befreundet. Insofern hat die Reiskirchenerin von ihrem Ehrenamt einen bleibenden persönlichen Benefit: »Es haben sich auch privat tiefe Freundschaften entwickelt.«

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Zu Gast in Netanya: Marion Balser (r.) mit ihren wichtigsten Unterstützern Gerd Zörb und Edna Spitzer. © Red

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