Zwei Museumshäuser schreiben Geschichte

Was liegt näher, als beim geplanten Umbau zweier Museumshäuser deren Historie selbst zum Thema zu machen? Das Oberhessische Museum nutzt diese Gelegenheit und präsentiert mit der Schau »Zeitenwandel« im Alten Schloss die Geschichte(n) von Wallenfels’schem und Leib’schem Haus.
Das Oberhessische Museum will sich immer mehr zu einem Museum entwickeln, das Geschichten erzählt - Geschichten zur Stadtgeschichte und von den Menschen, die sie als Sammler, Bürger oder Architekten geprägt haben. Ganz in diesem Sinne gestaltet sich die neue Sonderausstellung »Zeitenwandel«, die am Sonntag, passend zum Internationalen Museumstag, im Alten Schloss eröffnet wurde. Sie zeigt die Geschichte der derzeit wegen Umbau und Neukonzeption geschlossenen Museumshäuser Wallenfels’sches und Leib’sches Haus am Kirchenplatz und ihrer einstigen Bewohner - wirft aber auch einen Blick in die Zukunft.
Kuratorin Linda Heintze konnte dabei nicht nur auf Material aus dem Museum selbst bauen, sondern auch einige Leihgaben der Familie Wallenfels nutzen. Entstanden ist eine äußerst sehenswerte Ausstellung über zwei Häuser, die das Stadtbild immerhin schon seit 900 Jahren prägen und eng mit Gießens Geschichte verbunden sind.
Museumshäuser bis 2025 zu
Ursprünglich war geplant, die Ausstellung im Wallenfels’schen Haus zu zeigen. Doch dass das derzeit nicht möglich ist, ist eigentlich ein gutes Zeichen - schließlich tut sich dort in Sachen Schadstoffsanierung, Umzug und Sanierung schon so viel, dass man kurzfristig auf das Alte Schloss, genauer den Laborraum im Erdgeschoss, ausweichen musste. Das Museums-team hat - wieder einmal - die Herausforderung geschultert und die Schau in Kürze auf das neue Format umgestaltet.
Zentrales Ausstellungsstück ist das Stadtmodell, das Swen Richert und Dr. Werner Schmidt derzeit komplett ehrenamtlich einer »Erfrischungskur« unterziehen. Es soll schließlich in der 2025 neu zu eröffnenden Dauerausstellung, dann mit digitalen Erweiterungen, den Anfangspunkt jeder Tour durch das Museum bilden. Auch in der »Zeitenwandel«-Schau gelangt man vom Stadtmodell aus weiter zur Abteilung, die von den Anfängen der ehemaligen Burgmannenhäuser der einstigen Wasserburg um 1300 erzählt. Zeichnungen und eine Gail’sche Kachel lassen die Dimensionen des Festungsbaus erahnen, zwei Zeitstrahlleisten geben einen Überblick über die Stationen der beiden Häuser, die zu den ältesten (rekonstruierten) Gebäuden Gießens zählen.
Das Wallenfels’sche Haus befand sich vom 13. bis 18. Jahrhundert im Familienbesitz der Herren von Schwalbach dann des Landgrafen. Ab 1763 wurde es als Hofkammer, später als Kammergericht genutzt, 1830 an Schneidermeister Pimper verkauft und seit 1857 gehörte es der Färberfamilie Wallenfels, die dort später ihre Reinigung betrieb. Entsprechend hieß es fortan das »Wallenfels’sche Haus«. Die Stadt erwarb das Gebäude 1979 und ließ es zwischen 1982 und 1985 mit der rekonstruierten Fassade eines Bürgerhauses wieder aufbauen.
Auch das 1350 auf dem Gebiet der alten Wasserburg errichtete Nachbarhaus hat eine wechselvolle Geschichte. Ab 1497 war es im Besitz des Landgrafen, wurde 1573 an Rentmeister Endres Salfeld (»Salfeld’sches Haus«) verkauft und ab 1558 als zweites Pfarrhaus genutzt. Ab 1850 wohnte und arbeitete dort Carl Ludwig Leib und eröffnete im Mai 1873 sein Vergolder und Kunsthandwerkgeschäft. Er brachte dem in bemerkenswerter Kombination aus Ständer- und Rahmenbauweise errichteten Fachwerkhaus nicht nur den Namen »Leib’sches Haus« ein, sondern fertigte auch für die Sammlung des Museums zahlreiche Bilderrahmen, die in der Ausstellung auch zu sehen sind. gezeigt wird auch das rot-blau-weiße Werbeschild der Reinigung Wallenfels, das die Firma Leib anfertigte.
Leihgaben der Familie Wallenfels
Dank der von der Familie Wallenfels beigesteuerten Leihgaben - eine alte Preisliste, ein Kleiderbügel, ein Foto aus der früheren Bügelabteilung, alte Bügeleisen und Farbkarten sowie ein fünfminütiger Film mit Originalaufnahmen - können die Besucher einen Eindruck gewinnen, was im »Wallenfels’schen Haus« und Umfeld früher geschah.
Erzählt wird aber auch - unter anderem mit Zeitzeugen- zitaten - von der Zerstörung der beiden Häuser am Kirchenplatz durch die Bomben vom 6. Dezember 1944 und wie die Gebäude später in Museumshäuser umgewandelt wurden. Das Wallenfels’sche Haus wurde am 29. November 1987 als drittes Gebäude des Oberhessischen Museums eingeweiht, das 1976/77 mit wenigen Originalteilen rekonstruierte Leib’sche Haus wurde bereits seit dem 10. September 1978 als Museum zur Stadtgeschichte genutzt.
Die Ausstellung »Zeitenwandel« bietet nicht nur Zeichnungen, Postkartenmotive, Gemälde und Architektenpläne zu den beiden Häusern - die wurden übrigens wegen der baulichen Enge am Kirchenplatz mit der nahe stehenden Stadtkirche meist von ihrer Rückseite aus abgebildet - sondern auch eine Magnettafel, auf der Besucher die vielfältige Nutzung für die diversen Abteilungen des Oberhessischen Museums nachvollziehen können. An einem Tisch kann - und sollte - man sich Zeit nehmen, seine Gedanken und Erinnerungen an das Leib’sche und Wallenfels’sche Haus zu notieren, aber auch Anregungen und Vorschläge für deren bis 2025 anstehenden Umbau zu einer Einheit (inklusive Verbindungstreppenhaus) zu formulieren.


