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Zwei Ikonen der Performance Art

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Von: Dagmar Klein

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Exbodiment4_Skip_Schatte_4c © Dagmar Klein

Und wieder war der Besucherandrang zur Doppel-Performance in der Galerie des Unteren Hardthofs groß. Die Idee von Dr. Nadia Ismail und ihrer Mitarbeiterin Tarika Johar, die Zeit des Kunsthallenumbaus für eine andere Form des Kunsterlebens zu nutzen, kann nur als gelungen bezeichnet werden.

Der Dienstagabend war für Ende Oktober erstaunlich mild und vor allem regenfrei, denn die offizielle Begrüßung zur vierten »Exbodiment«-Performance der Kunsthalle fand draußen vor der Hardthof-Galerie statt. Es war das Nachholtreffen für die wegen Krankheit im Juni abgesagte erste Performance der Reihe. Gekommen waren »zwei Ikonen der internationalen Performance Art«: Skip Arnold aus New York, seit langem in Paris lebend, und Nigel Rolfe von der Isle of Wight, in Dublin lebend. Beide haben die 60 längst überschritten. Zu den beiden, wie zu etwa 4000 weiteren Performern weltweit, sammelt das Kölner Archiv Black Kit/Die schwarze Lade seit vier Jahrzehnten Informationen. Und sie organisieren Performance-Reihen wie in diesem Jahr, bei der die Events jeweils zuerst in Köln, dann in Gießen stattfanden.

Kaum ein Lidschlag war zu erkennen

Die Performances von Skip Arnold stehen in der Tradition der extremen Body Art. Dabei wird der eigene Körper außergewöhnlichen Situationen ausgesetzt, in denen »körperliche Fragilität und das damit verbundene Unbehagen spürbar werden«. In seinem Manifest von 1993 heißt es: »Was meinen Werken gemeinsam ist: Skip. Skip ist das Kunstwerk. Der Akt des Tuns, meine Aktionen, meine Auswahl.« Vor der Galerie war auf einem türgroßen Bildschirm seine Kurzperformance »Schattenboxen« zu sehen, darüber erhielt man einen Eindruck seiner Arbeit.

In der Hardthof-Galerie war dann für etwa 25 Minuten sein bis auf die Hose nackter Körper, sitzend auf einem Stuhl, die Füße in Eimern mit Wasser, zu betrachten. Er blieb nahezu unbewegt, kaum ein Lidschlag war zu erkennen. Dafür bewegten sich die Zusehenden mehr oder weniger stark. Nur wenige gingen hinaus, denn in Zeiten der Mobilphones haben die meisten immer was zum Anschauen dabei, wenn ihnen ihre Umgebung zu uninteressant wird. Bei anderen führten die Ruhe und die Nicht-Aktion zur inneren Einkehr, sie wurden ruhig, auch wenn die Körper Stellungswechsel brauchten. Auf diese Weise ging die Zeit erstaunlich rasch um.

Blaues Farbpulver und Schablonen

Nach einer Pause hatte Nigel Rolfe seine mitgebrachten Utensilien aufgebaut, war das Licht neu justiert worden. Jede seiner Bewegungen war kontrolliert, alles geschah in einem gleichmäßig ruhigen Tempo. Die Spannung, die sich aufbaute, war dennoch enorm. Er sorgte für musikalische Untermalung, indem er über zwei Minimusikanlagen eine Frauenstimme in wortlosen, dem Kirchengesang ähnelnden Koloraturen erklingen ließ. Dank der guten Raumakustik wurde man allein dadurch in andächtige Stimmung versetzt.

Er breitete drei Papierbögen nebeneinander auf dem Boden aus, darauf positionierte er Schablonen, auf die er blaues Farbpulver streute. Es erschienen die Worte Cry, Cry, War, War. Als erstes zerstörte er das Wort War (Krieg) durch heftiges, kreisendes Übermalen mit Kohlestiften. Dann sprühte er das Wort Cry (Schrei) mit Wasser an, das wie blaue Tränen den Papierbogen hinabfloss. Dem mittleren Bogen fügte er nicht nur heftige Übermalung, sondern auch Stockschläge zu. Dazu hatte er die Soundeinstellung geändert, es erklang nervtötendes Wolfsheulen. Rolfe prägte in den 1970er Jahren die Bezeichnung »Sculptures in Motion« (Skulpturen in Bewegung), seine künstlerischen Aussagen sind klar politisch.

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Exbodiment4_NigelRolfe_2_4c © Dagmar Klein

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