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Zurück zur Arbeit des Seelsorgers

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Von: Christine Steines

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Propst Matthias Schmidt kehrt zu den Wurzeln seines Berufes zurück. © Oliver Schepp

Nach zwölf Jahren zieht Propst Matthias Schmidt sich von seinem Amt zurück. Der 58-Jährige gibt die Führungsposition in der Kirche auf und wird künftig Seelsorger für kranke und behinderte Menschen sein. Er will zurück zur Kernaufgabe seines Berufes. Die Meisterung der strukturellen Umbrüche sieht er in einer jüngeren, kreativen Generation in guten Händen.

Er sieht sich als Brückenbauer innerhalb der Kirchenstrukturen, sagt Matthias Schmidt. Als einer, der kommuniziert und vermittelt, aber auch entscheidet. Er sei sehr gerne Teil der Kirchenleitung gewesen, die Tätigeit sehe er als große Bereicherung für sein Leben. Doch nun sei es genug. »Ich möchte wieder kirchliche Kernaufgaben wahrnehmen«, sagt er. Sein regulärer Dienst als Propst hätte bis 2027 gedauert. Der Theologe ist von Gießen aus seit 2010 für etwa 300 000 Mitlieder der evangelischen Kirche in den Landkreisen Gießen, Vogelsberg und Wetterau zuständig. Im Frühling 2023 wird die Synode der EKHN einen Nachfolger wählen.

Nachfolge im Frühjahr 2023

In Kürze wird der Geistliche mit einer halben Stelle als Klinikseelsorger eines Krankenhauses in Lahnstein tätig sein, dem eine psychiatrische Tagesklinik angeschlossen ist. Eine weitere halbe Stelle wird er in einer Einrichtung für erwachsene Behinderte antreten. »Ich freue mich auf die Begegnungen«, sagt der Geistliche. Der Kontakt mit vermutlich überwiegend kirchenfernen Menschen werde eine neue Erfahrung sein.

Dass ein Mensch, der lange in einer Führungsposition war, aus freien Stücken einen solchen Weg geht, ist ungewöhnlich. Schmidt ist seit März, als er seinen Rückzug ankündigte, viel dazu befragt worden. »Ich bin wie viele andere Menschen auch während der Hochzeit der Pandemie in mich gegangen und habe fest- gestellt, dass ich meine letzten Berufsjahre anders gestalten möchte.«

Gleichzeitig schaut er dankbar zurück auf die vergangenen Jahre: Auf die bereichernden Kontakte mit den Partnergemeinden in Indien oder Israel zum Beispiel. Zudem begrüßt er die Gründung der jüdisch-islamischen Gemeinde Gießen als wichtigen Schritt für das gesellschaftliche Leben in der Stadt. Ein großer Fortschritt sei auch, dass sich die evangelische Kirche geöffnet habe für gleichgeschlechtliche Paare und Segnungen zur Selbstverständlichkeit geworden seien.

Die evangelische Kirche befindet sich derzeit in einer umfassenden Umstrukturierung. Sinkende Mitgliederzahlen und weniger finanzielle Mittel machen grundlegende Neuordnungen notwendig. Kirchengemeinden schließen sich zu Nachbarschaftsräumen zusammen. Damit soll die Zusammenarbeit der Gemeinden vor Ort und mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft intensiver werden. Der Prozess »ekhn2030« gilt als größte Reform in der kirchengemeindlichen Arbeit der EKHN.

Kirche wird kleiner, frommer, politischer

Schmidt ist sich sicher, dass sein Nachfolger bzw. seine Nachfolgerin diese Herausforderung gemeinsam mit vielen jüngeren Kollgen gut bewältigen wird. Er fühle sich nicht amtsmüde, sehe aber die neue Generation mit ihren Ideen, ihren Kenntnissen und ihrem Elan besser für diese Aufgaben gerüstet.

Die Veränderung der Kirchenarbeit müsse keinen Verlust bedeuten, sondern werde eine neue Qualität des Miteinanders schaffen, ist sich der Geistliche sicher. Schmidt zitiert einen Kollgen, der gesagt habe, die Kirche werde kleiner, frommer und politischer. Diese Formulierung bringe die Situation gut auf den Punkt. Die Kirche zeige Haltung und bringe sich ein - beispielsweise in Fragen von Migration und Flüchtlingspolitik und sie sei nach wie vor ein Ort, der Christen Halt und Richtung gebe.

Die EKHN ist eine von 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. An der Spitze steht die Kirchenleitung. Sie vertritt und leitet die Kirche im Auftrag der Kirchensynode und führt deren Beschlüsse aus. Die Gemeinden vor Ort bilden als erste Ebene die Basis, die zweite Ebene sind die Dekanate mit weitreichenden Kompetenzen. Sie verantworten zwischen Gemeinde und Gesamtkirche viele kirchliche Aufgaben, wie die Jugendarbeit, die Familienbildung oder die Öffentlichkeitsarbeit.

Die nächste Ebene wird von den Propsteien gebildet, die zur Kirchenleitung gehören. Seit 2017 gibt es in der EKHN statt sechs Propsteien nur noch fünf: Nord Nassau, Oberhessen, Rheinhessen und Nassauer Land, Rhein-Main sowie Starkenburg.

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