Zu Unrecht schambehaftet

Gießen (bf). Wer krank ist, geht zum Arzt. Was für die meisten bei Erkältung, Grippe und Co. normal ist, scheint bei sexuell übertragbaren Krankheiten allzu oft noch mit Scham behaftet zu sein. Dafür gibt es jedoch keinen Grund, denn treffen kann eine solche Infektion jeden. Die gute Nachricht: Rechtzeitig erkannt, ist sie in der Regel gut therapierbar.
Manchmal sieht man sie noch an Bushaltestellen und Bahnhöfen, die Plakate der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: »Dein Ex juckt dich noch immer?«, heißt es dort zum Beispiel, gefolgt von dem dringenden Rat: »Ab zum Arzt.« Die infektiologische Abteilung am Gießener Universitätsklinikum ist eine der medizinischen Einrichtungen, die sich mit den als STI abgekürzten Infektionen beschäftigt. Dr. Janina Trauth ist dort als leitende Oberärztin tätig. Für die Patienten, erklärt sie, sei die geschützte Atmosphäre und der professionelle Umgang von großer Bedeutung. Niemand müsse sich einer solchen Erkrankung schämen, denn da diese als unfreiwillige Begleiterscheinung des Geschlechtsverkehrs auftreten, könne jeder sexuell aktive Mensch davon betroffen sein.
Regelmäßige Tests minimieren Risiko
Als behandelnde Ärztin wünscht sie sich vor allem ein größeres Bewusstsein für die Thematik. Selbstverständlich gehe es in der medizinischen Beratung nicht um eine Veränderung des Lebensstils, »aber jeder sollte sein Risiko kennen«. Wenn Menschen mit größerem Ansteckungsrisiko sich beispielsweise regelmäßig testen ließen, könnten sie das Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten für sich und andere minimieren. Testangebote gibt es verschiedentlich, etwa in den Apotheken als Selbsttest oder in Form von anonymen HIV-Tests beim Gesundheitsamt.
Da das Feld der STI ein weites ist, muss zwischen den verschiedenen Typen differenziert werden. Ob zum Beispiel Viren oder Bakterien für die Infektion verantwortlich sind, ist entscheidend für die spätere Behandlung.
Bei HIV kann man sehen, was Aufklärung, Prävention und erfolgreiche Therapieforschung bewirken. Mit der richtigen Medikation können Infizierte ein einschränkungsfreies Leben führen, ohne dass für ihre Sexualpartner eine Ansteckungsgefahr besteht. Seit Kurzem muss die Einnahme auch nicht mehr täglich in Tablettenform geschehen, sondern kann im Zweimonatsrhythmus per Spritze erfolgen. Entsprechend ist auch ein Rückgang der Neuinfektionen mit HIV zu beobachten, während die Ansteckungen mit anderen Infektionen wie Syphilis zunehmen. Ein Grund dafür sind jedoch auch genauere und schnellere Nachweismethoden, etwa mittels dem dank Corona weitbekannten PCR-Verfahren.
Allem medizinischen Fortschritt zum Trotz bleiben sexuell übertragbare Krankheiten eine Herausforderung. Vor allem, weil eine Erkrankung oft zunächst nicht mit Symptomen einhergeht und die Übertragung unbemerkt erfolgen kann.
Risikobewusstsein, Vorsicht und Eigeninitiative helfen jedoch, die Ausbreitung zu verringern. Was es dafür nicht braucht, ist Scham. Und wenn es doch einmal im Intimbereich jucken oder brennen sollte, wissen wir, wo es hingeht: Ab zum Arzt.