Zehn kostbare Sekunden
Am Tag ist ein erwachsener Mensch im Durchschnitt 16 Stunden wach. Das sind demnach 960 Minuten und 57 600 Sekunden. Ganz ehrlich, was sind schon dagegen zehn Sekunden? Sehr, sehr wenig, fast nichts. Und doch, versuchen Sie einmal zehn Sekunden wirklich nichts zu tun. Zehn Sekunden Ruhe. Zehn Sekunden Stille. Zehn Sekunden ohne Aktivität. Diese zehn Sekunden können sich sehr, sehr lang ziehen.
In zehn Sekunden werden in einem Satz ganze Geschichten erzählt. Zehn Sekunden, die das Leben positiv prägen, wenn eine oder einer sagt: Ich bin glücklich! Ich freue mich! Ich liebe dich! In wenigen Sekunden kann ein Leben mit einem Satz zerstört werden, wenn gesagt wird: Du bist ein Versager! Du bist wertlos! Du bist das Letzte!
Wie wäre die Welt, wenn in zehn Sekunden wenigstens nichts Schlimmes passiert oder gesagt wird? Wenn der Alltag für einen Moment den Atem anhält? Wo Raum ist, damit etwas Gutes passieren kann oder etwas Gutes mir gesagt wird.
Vermutlich würde unsere Welt danach anders aussehen und es wäre doch einen Versuch wert, zumindest für zehn Sekunden. Und dort, wo allein in dieser kurzen Zeit etwas Gutes passiert, da bin ich mir sicher, da liegt ein Segen drauf, vielleicht auch mehr.
Werden die Menschen gefragt, was das Wichtigste am evangelischen Gottesdienst ist, dann wird meist der Segen noch vor der Predigt genannt. Um den Segen zu sprechen, braucht man ungefähr zehn Sekunden. Gesegnet von Gott sein heißt: Du bist einmalig. Du bist wertvoll. Du wirst gebraucht. Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir seinen Frieden.
Segensworte zu sprechen, ist nicht nur den Pfarrerinnen und Pfarrern vorbehalten, jede und jeder kann zum anderen sagen: Der Herr segne dich. Das alles dauert nicht einmal zehn Sekunden, aber es sind Sekunden, die unglaublich kostbar sind.
Stephan Ebelt
Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Lang-Göns