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Mega-Bauwerk entsteht in Gießen: Nie gab es ein größeres Bauprojekt

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Von: Oliver Schepp

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Um die Tragfähigkeit zu verbessern, müssen auf dem ehemaligen AAFES-Gelände derzeit rund 400 Betonpfähle in die Erde gerammt werden. Der dadurch entstehende Lärm stört die Anwohner - vor allem in Rödgen und Buseck.
Die Arbeiten am VGP-Park am Alten Flughafen in Gießen Anfang des Jahres. (Archivbild) © Oliver Schepp

Am Alten Flughafen in Gießen gehen die Arbeiten am VGP-Park voran. Bald schon sollen Zalando, UPS und Rhenus dort einziehen. Die Dimensionen sind nur schwer vorstellbar.

Gießen – Es ist die größte Baumaßnahme, die es in Gießen je gegeben hat. Größer als Karstadt. Größer als das Hauptgebäude des UKGM. Größer als alle anderen Logistik-Standorte. Der VGP-Park am Alten Flughafen erstreckt sich über eine Fläche von etwa 320 000 Quadratmetern. Die Einheit für Zalando ist länger als der Seltersweg.

Tim Müller steht mitten auf der größten Baustelle der Stadt auf einer Dachterrasse. Die Einrichtung ist provisorisch, aber gemütlich. Die Sitzgelegenheiten sind aus Holzbrettern gezimmert, die Stehtische aus Paletten zusammengeschraubt. »Manchmal werfen wir den Grill an, trinken etwas und besprechen den nächsten Tag«, sagt Müller. Von dort oben hat der 36-Jährige einen spektakulären Blick über sein derzeitiges Reich.

Gießen: 75000 Fertigteile für Zalando-Bauwerk nötig

Müller ist Projektleiter der VGP Industriebau GmbH, »seine« Dachterrasse ist auf der Containeranlage des im Bau befindlichen VGP-Parks am Alten Flughafen eingerichtet. Darunter laufen die Fäden in den Büros der Bauleitung zusammen. Von dort werden die 400 bis 500 Arbeiter auf der Baustelle und die 50 bis 60 beteiligten Firmen gesteuert und koordiniert. Auch der zukünftige Ankermieter des Areals, Onlinehändler Zalando, hat dort einen Raum bezogen.

Wenn Müller den Blick von der Dachterrasse aus über das 32 Hektar große Areal wandern lässt, kann er alle Bauphasen sehen, die die Gebäude durchlaufen - vom Gießen der Fertigteile in der kleineren der beiden Hallen für Zalando über das Anbringen von Dach und Fassaden im hinteren Teil der größeren Zalando-Einheit bis zum Innenausbau des Standorts am östlichen Ende des Geländes, den sich Paketdienstleister UPS mit einer Kühlkettenlogistik für medizinische Produkte und der bereits in Gießen ansässige Logistikdienstleister Rhenus zukünftig teilen werden. Bis Weihnachten - so das Ziel - soll das letzte der mehr als 75 000 benötigten Betonfertigteile verbaut sein.

Platz für 50-mal Gießener Karstadt

Am anderen Ende des Areals, das so groß ist, dass der Gießener Karstadt knapp 50-mal dort aneinandergereiht werden könnte, ist ein Parkhaus mit 1500 Stellplätzen entstanden, das nur für Zalando-Mitarbeiter bestimmt ist, die ihren Arbeitsplatz über eine 70 Meter lange Fußgängerbrücke erreichen werden. Ein Drittel der Parkplätze sind für E-Mobilität vorgerüstet. »Auf Wunsch von Zalando haben wir schon 60 mit E-Ladesäulen bestückt«, sagt Müller.

Mit den drei Mietern Zalando, UPS und Rhenus hat VGP die zur Verfügung stehende vermietbare Fläche von 240 000 Quadratmetern (auf 150 000m2 Grundfläche) längst vermarktet. Die Halle für UPS und Rhenus soll bereits im Frühjahr 2023 übergeben werden. Zalando geht in zwei Phasen an den Start. Teil eins der 160 000 m2 großen vermieteten Fläche im Juni 2023, Teil zwei folgt im September. »Die ersten beiden Einheiten mit jeweils 10 000 m2 haben wir sogar schon übergeben«, sagt Müller. In diesem Abschnitt hat der Onlinehändler für sein Logistikzentrum bereits mit dem Vormontieren der Hochregale begonnen. Die Fördertechnik, die im Inneren verbaut wird, bringt Zalando mit. »Wir stimmen uns eng ab und arbeiten Hand in Hand am Ausbau«, sagt Müller. »Daher können unsere Mieter sehr schnell nach der Übergabe an den Start gehen.«

Gießen: Kompromisse beim Bau der riesigen Hallen für Zalando

Die Anforderungen von Zalando seien für VGP eine Besonderheit und durchaus auch eine Herausforderung gewesen, für die man zum Teil deutlich vom Standard habe abweichen müssen. »Letztlich kein Problem, wir haben die Challenge angenommen«, sagt Müller. Er lacht und nennt ein Beispiel: Zalando habe die Fördertechnik nicht ans Gebäude angepasst, sondern verlangt, dass sich das Gebäude an die Technik anpasse. »Unsere Standard-Hallenhöhe ist 14 Meter, Zalando benötigt für die Technik aber 18,50 Meter. Also haben wir die Halle höher geplant.«

Doch auch der Onlinehändler musste einen Kompromiss eingehen. Städtebaulich vorgegeben war ein 40 Meter breiter Frischluftkorridor. Um diese Vorgabe einzuhalten, musste VGP statt einer zwei Hallen für Zalando bauen, die durch Förderbrücken miteinander verbunden sind. »Zalando ist das mitgegangen«, erzählt Müller. Inklusive Frischluftschneise sind allein die beiden Zalando-Hallen 480 Meter lang. 56 Meter länger als der Seltersweg.

Nachhaltigkeit: Strom für 3000 Haushalte

Für VGP, das die Immobilien in Gießen wie an allen anderen Standorten auch im Bestand halten und von einer eigenen Immobilienverwaltung vor Ort betreuen lassen wird, ist der Park nicht nur aufgrund seiner Größe besonders. Auch in Sachen Nachhaltigkeit könne sich das Projekt sehen lassen, meint Müller. So käme der Park komplett ohne fossile Brennstoffe aus. Die Fotovoltaikanlagen auf allen Gebäuden würden eine Gesamtleistung erbringen, mit denen man 3000 Haushalte mit Strom versorgen könne. Davon sollen die Mieter profitieren und die eigene Wärmepumpentechnik versorgt werden. »Sogar die energieaufwendigen Kühl- und Tiefkühlanlagen von UPS werden mit diesem Strom betrieben«, sagt Müller. Im Erdreich verbaut sind zudem Wasserzisternen für rund 700 m3 Wasser, das für die Wasserspülungen und die Bewässerung der Grünanlagen vorgesehen ist.

Müller ist schon stolz, wenn er über all das spricht. Er ist von Anfang an dabei und wird die Baustelle am Alten Flughafen bis zur letzten Schlüsselübergabe betreuen. »Wenn man so ein Projekt zu Ende gebracht hat, muss man wahrscheinlich kein anderes Vorhaben mehr scheuen.« (Oliver Schepp)

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