»Wundervoller« neuer Campus

Nach zwei Jahren ist das Bauprojekt der Freien Theologischen Hochschule Gießen nun fertig. Mit ihrem »Campus der Zukunft« sind die Verantwortlichen der Fakultät zufrieden. Sogar an ein »Wunder« glauben sie: Das moderne Bauwerk soll wie gewünscht umgesetzt worden sein - trotz der Krisenzeit.
Die Vorlesungszeit beginnt zwar erst heute, aber bei der Eröffnung des »Campus der Zukunft« saßen am Wochenende hier und da schon eifrige Studierende in den brandneuen Räumen. Beim Rundgang bei der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen wurde sofort deutlich, dass die Planer viel Wert auf Ästhetik gelegt haben. Wohlfühlen sollen sich Studierende und Lehrende hier. Einen 24 Stunden offenen »Campus als Lebensraum« nennt das die FTH. Bei den Aufenthaltsräumen, die an Wohnzimmer erinnern, modernen Küchen und Toiletten, versteht man, warum. Auch die technische Ausstattung für die ebenso wichtige Lernpädagogik ist zeitgemäß. Veraltete Overheadprojektoren oder Lehrtafeln mit Kreide sucht man hier vergeblich. 16 Stunden am Tag stehen Lesesaal und Bibliothek für Studierende offen. Bei diesem Angebot dürfte so manche staatliche Hochschule große Augen machen. Als Konkurrent für andere Hochschulen sehe sich die FTH dabei jedoch nicht, sagte Kim Diehl, Beauftragte für FTH-Interessen.
Die Baukosten für diese und weitere Annehmlichkeiten beziffert die FTH mit 9,3 Millionen Euro. »Fast vollständig« finanziert aus Privatspenden an den Förderverein der theologischen Privathochschule. Die Kosten sollen zudem durch »Zustiftungen und zinslose Darlehen aus dem Freundeskreis der Hochschule aufgebracht« worden sein, erläuterte Rektor Dr. Stephan Holthaus. Aus staatlicher Förderung sollen hingegen nur 60 000 Euro stammen. »Unsere Hochschule finanziert sich hauptsächlich durch 20 Prozent Studiengebühren und 70 Prozent Spenden von Einzelpersonen«, informierte Holthaus. Eine staatliche Förderung gäbe es für den Betrieb ebensowenig wie finanzielle Zuweisungen von Kirchen oder Gemeindebünden. Trotz der gelungenen Finanzierung des neuen Lehrgebäudes nannte Wolfgang Baake, Spendenbetreuer bei der FTH, den fertigen Neubau ein »großes Wunder«. Ob göttliche Hilfe im Spiel war, sei mal dahingestellt - jedenfalls soll es weder bei der Beschaffung des Baumaterials, noch bei der Suche nach Handwerksfirmen Probleme gegeben haben. Nur auf die Energiequelle Gas hätte Holthaus, mit Blick auf die aktuellen Energiekrise, gerne verzichtet. Doch vor mehr als zwei Jahren waren die Probleme eben auch noch nicht so massiv wie heute.
Nachhaltige Erweiterung
Trotzdem entspreche das neue Gebäude mit einer Nutzfläche von 2800 Quadratmetern den neuesten energetischen Richtlinien. Nachhaltigkeit werde groß geschrieben: »Wir haben effiziente Heiz- und Klimatechnik samt 78-KW-Fotovoltaikanlage«, zählte Rektor Holthaus auf. Geheizt werde über Deckenstrahlplatten aus der Abwärme der Stromproduktion eines Blockheizkraftwerkes. Eine Absorptionskältemaschine wandele zudem auch Wärme in Kälte um. Während Räume gekühlt werden, werde gleichzeitig Strom produziert.
Der Neubau bietet nun weitere 4200 Quadratmeter Raumfläche. Hier wurde Platz für sieben Hörsäle, drei Seminarräume, 35 Büros, eine Kapelle, ein Café, eine Buchhandlung und Gemeinschaftsräume geschaffen. Die Zahl der Studienplätze habe sich damit von rund 200 auf 250 erhöht. Damit wurde auf den steigenden Zuwachs reagiert - trotz rückläufiger Zahlen von Theologiestudierenden in Deutschland. Die FTH ist also derzeit, was wissenschaftliche Religionslehre betrifft, äußerst gefragt.
Die Freie Theologische Hochschule ist eine von 16 theologischen Privathochschulen im Land. Sie bietet ein dreijähriges Bachelor-, ein darauf aufbauendes zweijähriges Masterstudium sowie ein Promotionsprogramm in evangelischer Theologie an. Im Trägerverein sitzen Vertreter von verschiedenen Kirchen und christlichen Werken. An der Hochschule lehren und forschen derzeit zehn Professoren, sechs Hochschuldozenten und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter. In der Verwaltung arbeiten weitere 19 Mitarbeiter. Die Studierenden setzen sich aus 30 Prozent Frauen und 70 Prozent Männern zusammen.