Würdevoller Abschied

Anton Bruckner trifft auf Franz Schmidt. Die zwei Romantiker bereiten Generalmusikdirektor Florian Ludwig ein wohlklingendes Adieu vom Stadttheater. Dem Konzert folgen Worte des Dankes.
Landei, Sonderling, Verschrobener - was wurde er zu Lebzeiten verlacht, verhöhnt, verspottet. Von der Kritik, aber auch von großen Kollegen, die im Nachhinein gar nicht mehr so groß erscheinen. Der schüchterne Anton Bruckner, neben Richard Wagner der erste Hardrocker der Romantik, ist in den vergangenen Dekaden zum Bollwerk einer impulsiven Musik geworden, die bis heute nichts an Faszination verloren hat.
Unter dem blasmusikseligen Loblied-Titel »O du mein Österreich« (Franz von Suppè lässt grüßen) stellte der wie geplant nach zwei Spielzeiten scheidende Generalmusikdirektor Florian Ludwig am Dienstag in seinem letzten Sinfoniekonzert am Stadttheater die 3. Sinfonie Bruckners in den Mittelpunkt. Das Philharmonische Orchester Gießen setzt an zu einer Meisterleistung.
Ludwig wirkt am Pult wie immer als ruhender Pol, der seine Instrumentalisten geschmeidig auf den rechten Pfad führt. Dafür gibt es am Ende ausdauernden Applaus vom Publikum, lobende Worte und ein Präsent der Musiker an ihren Dirigenten sowie den Dank Ludwigs an alle Beteiligten. Der Franke bezeichnet sein Orchester und das Theater als einen »Schatz der Stadt«, den man nicht hoch genug anerkennen könne.
Zum Abschluss die »Wagner-Sinfonie«
Zuvor der Bruckner (1824 - 1896). Er vollendet die Dritte 1873, doch das Werk erlebt erst Jahre später seine Uraufführung. Die Wiener Philharmoniker lehnen die Sinfonie zunächst ab und der Österreicher macht sich ans Überarbeiten. Das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Vita.
Die meisten Sinfonien rührt Bruckner auch noch nach der Fertigstellung mehrmals an. Seine Schüler raten ihm bisweilen dazu, einige Naseweise fummeln sogar in den Partituren herum, aber auch der Spätentwickler ist häufig selbst mit dem ersten Ergebnis unzufrieden.
Seine Dritte, auch »Wagner-Sinfonie« genannt, hat Bruckner dem Opern-Kollegen gewidmet, den er verehrt, ohne ihm nachzueifern. Er macht sich vielmehr daran, ein neuartiges musikalisches Konzept zu verwirklichen. Es hört weiter auf das sinfonische Prinzip, doch Bruckner ersetzt das Verarbeiten der Motive durch das Addieren von Motivvarianten. Das Ergebnis klingt wuchtig, gewaltig, beeindruckend. Ludwig lässt am Dienstag die zweite Version der 3. Sinfonie aus dem Jahr 1878 spielen, die bei ihrer Uraufführung krachend durchfiel.
Religiöse Aura leuchtet auf
Zu Beginn erscheint geheimnisvoll ein fanfarenartiges Trompetenthema, das im Finale wiederholt wird. Als Kontrast zum Anfang steht der wilde Spaß eines Bauerntanz-Scherzos. Das Finale vereint eine Tanzmelodie mit einem Bläserchoral und lässt auch die religiöse Aura Bruckners aufleuchten.
Zum Auftakt des Konzerts präsentiert Ludwig die Chaconne von Franz Schmidt (1874 - 1939). Der Tondichter schert sich in Wien nicht um die aufkommende Atonalität und lässt auch die Zwölftonmusik links liegen. Wie Bruckner ist Schmidt ebenfalls ein Meister an der Orgel.
Bei der Chaconne d-Moll aus dem Jahr 1931 handelt es sich um Schmidts eigene Bearbeitung seiner Chaconne cis-Moll für Orgel von 1925. Das um einen halben Ton höher transponierte Stück hat er für großes Orchester konzipiert. Es überzeugt mit seinem plastisch wirkenden Klangbild und einem dramatischen Fluss, den der Dirigent mit seinen Musikern erhaben einzufangen weiß. Für Ludwig, der sich nun wieder voll auf seine Professur für Orchesterdirigieren an der Hochschule für Musik in Detmold konzentrieren kann, ist der Abend ein würdevoller Abschied vom Gießener Publikum.