Wohnheimplätze sind alle schon längst belegt

Gießen (edg). In Kürze startet an den beiden Gießener Hochschulen das Wintersemester. Hunderte Studienanfänger suchen daher in der Stadt nach einer Bleibe. Was Wohngemeinschaften, Privatwohnheime und das Studentenwerk anbieten und wie sie Bewerber auswählen, haben sie der GAZ verraten.
Mit Wohnheimantrag, Inseraten im Internet oder Aushängen am schwarzen Brett haben sich Hunderte Studienanfänger in den vergangenen Wochen und Monaten beschäftigt. Zum Start des Wintersemesters an den Gießener Hochschulen im Oktober ist Hochsaison am studentischen Wohnungsmarkt. »Ich habe nicht gewusst, wie krass die Situation in Gießen ist«, sagt Student Ruwen Schneider, der ursprünglich aus Berlin kommt. Nicht nur Studenten-WGs haben oft zahlreiche Bewerber, auch viele Wohnheime sind mittlerweile voll belegt und führen Wartelisten. Doch nach welchen Kriterien werden dort Zimmer vergeben?
Das Studentenwerk Gießen verwaltet rund 2600 Plätze in neun Wohnheimen, zu denen die Häuser im Eichendorfring, der Grünberger Straße oder dem Leihgesterner Weg gehören. Neue Wohnheime entstehen derzeit in der Stephanstraße (21 Plätze) sowie am Leihgesterner Weg (178 Plätze).
»Das Studentenwerk bietet kostengünstigen Wohnraum auch für diejenigen an, die aufgrund ihres Geldbeutels oder ihrer Herkunft wenig bis keine Chancen auf dem privaten Wohnungsmarkt haben«, sagt Malte Krohn, Pressesprecher des Studentenwerks Gießen. Fast 90 Prozent der WG-Zimmer mit 12 bis 17 Quadratmetern kosten 180 bis 250 Euro inklusive Nebenkosten; Einzelappartments mit Bad und Küchenzeile sind etwas teurer. Für das kommende Wintersemester sind allerdings alle Wohnheimplätze belegt. Etwa 900 Studierende stehen derzeit auf einer Warteliste.
»Grundsätzlich erfolgt die Vergabe nach der Reihenfolge der eingegangen Bewerbungen und den jeweiligen Wünschen«, erklärt Krohn. Auch wenn im gewünschten Wohnheim ein Platz frei wird, kann es jedoch vorkommen, dass das Studentenwerk den Bewerbern ein anderes Haus anbietet.
»Jede Bewerbung wird einzeln geprüft, um die Situation der Studierenden einschätzen zu können «, erklärt Krohn und nennt ein Beispiel: »Die Integration internationaler Studierender gelingt am besten, wenn es ein ausgewogenes Verhältnis verschiedener Studierendengruppen im Wohnheim gibt.« In den Wohnheimen gibt es zudem für alle Studienanfänger Betreuungsangebote durch Mitarbeiter des Studentenwerks sowie erfahrene Studierende sowie gemeinsame Ausflüge und Projekte.
»Es macht Spaß, nach Hause zu kommen und Menschen zu treffen, mit denen man essen, eine Serie schauen oder eine WG-Party feiern kann«, sagt Lehramtsstudent Schneider. Über das Internet sucht der 24-jährige Ex-Berliner für seine 5er-WG in der Braugasse einen neuen Mitbewohner oder eine Mitbewohnerin. Zwischen 18 und 30 Jahren alt, gesellig und einigermaßen reinlich solle er oder sie sein. Als die Anzeige drei Stunden online ist, haben sich bereits 13 Interessenten gemeldet. Zwei Termine plant die WG, um möglichst viele Bewerber zu treffen. Die Vorstellungsgespräche sind daher gut organisiert: Eine Wohnungsführung, 30 Minuten Gespräch und ein Blatt Papier für Notizen pro Bewerber.
In der Regel kommen Name, Alter, Studium, Herkunft, Hobby und Ansprüche an das WG-Leben zur Sprache. »Ähnliche Interessen sollten schon da sein«, sagt der angehende Lehrer. Die Entscheidung fällen die vier ausschließlich einstimmig.
Vor dem Start des Semesters hatten WGs auf der Internetplattform wg-gesucht.de für Gießen innerhalb einer Woche fast 200 Zimmer eingestellt. Das mit rund 100 Euro günstigste Zimmer bietet eine Studentenverbindung mit sechs Mitbewohnern im Klinikviertel an – allerdings nur für männliche Studierende. Das mit 435 Euro teuerste Zimmer liegt in einer neu sanierten Zweier-WG an der Südanlage. Auch der 28-jährige Medizinstudent Jakob sucht über das Internet einen neuen Mitbewohner oder eine Mitbewohnerin für seine Zweier-WG im Musikerviertel. Er selbst beschreibt sich als ruhigen, aber aufgeschlossenen Zeitgenossen und verzichtet bewusst auf eine detailliertere Beschreibung in der Anzeige. »Man merkt am besten in einem Gespräch, ob die Chemie stimmt«, sagt er.
Umso mehr wundere er sich, dass viele Bewerber sich nicht mit einem persönlichen Anruf vorstellten, sondern über eine Textnachricht via WhatsApp. Wer letztlich in seine WG passe, entscheide jedoch der persönliche Eindruck; zweitrangig seien für ihn dabei Studienfach oder gemeinsame Hobbys.
Neben den WGs von privaten Vermietern, bieten auch Privatwohnheime Plätze für Studierende an. Dazu gehören die Häuser im Watzenborner Weg, der Bleichstraße oder der Marburger Straße. Auch die 40 Einzelzimmer und 30 Maisonetten in der Marburger Straße waren schon Anfang September restlos belegt, wie Verwalter Karl Georg Bub berichtet. Für das letzte verfügbare Appartment waren zahlreiche Bewerbungen eingegangen. Die Kaltmiete der 15 bis 35 Quadratmeter großen Räume liegt bei 210 bis 315 Euro zuzüglich Nebenkosten. Wer hier einziehen darf, entscheide er in der Regel nach Eingang der Bewerbung, erklärt Bub. Eine Warteliste führe er jedoch nicht, da die regelmäßig Überprüfung zu aufwendig sei.
Die hohen Studierendenzahlen sorgen auch in diesem Wintersemester für eine angespannte Situation auf dem lokalen Wohnungsmarkt. Obwohl das Studentenwerk Gießen in den vergangenen Monaten Wohnraum schaffen konnte, sind die Wohnheimplätze belegt. »Wir sehen als Serviceunternehmen für Studierende Handlungsbedarf«, sagt Geschäftsführer Ralf Stobbe. »Mit dem Projekt ›Netzwerk Wohnen» haben wir eine Vermittlungsstelle zwischen Studierenden und privaten Vermietern geschaffen. Wir sammeln Angebote und stellen sie den Studierenden zur Verfügung«, erläutert Ralph Vogtmann. Vermieter können die Angebote u.a. unter 0641/40008-330 melden. Bis zum 28. Oktober wird zudem der Info-Point in der Mensa Otto-Behaghel-Straße besetzt sein. Dort können Wohnungsangebote eingesehen werden.