Aktivisten wollen linkes Wohnprojekt AK 44 kaufen

Seit 40 Jahren gibt es den Kultur- und Wohnort AK 44 in Gießen. Weil er jetzt aber in finanziellen Nöten steckt, planen Aktivisten das Haus zu erwerben.
Gießen – Das AK 44 war schon oft mit Krisen konfrontiert, die es an den Rand der Existenz gebracht haben. Trotzdem gibt es das linke Wohn- und Kulturprojekt seit 40 Jahren – 20 Jahre davon als Mieter im Alten Wetzlarer Weg. Nicht erst durch die Corona-Pandemie muss das AK 44 mit finanziellen Problemen kämpfen. Mit schwierigen Situationen klarkommen, können sie ja. Doch etwas muss sich verändert haben.
Vielleicht auch unter dem Eindruck, dass immer mehr Gießener Wohnprojekte wie das K 1 von Investoren gekauft, saniert und anschließend teuer vermietet oder verkauft werden. Deshalb wollen die AK 44-Aktivisten einen ungewöhnlichen Weg gehen: Sie planen den Kauf des Gebäudes am Alten Wetzlarer Weg.
Gießen: Alternative Wohnprojekte entstehen als linke Gegenbewegung
Projekte wie das AK 44 entstanden Anfang der 80er Jahre als linke Gegenbewegung. Die Info-Läden sollten politische Diskussionen und Informationen abseits kapitalistischer Sichtweisen ermöglichen. Ein Zuhause gefunden haben hier vor allem antifaschistische und feministische Gruppen. Oft fanden und finden sie sich in besetzten Häusern – so wie 1981 in Gießen. Der erste Standort war die Südanlage 20; das Haus entwickelte sich zu einem wichtigen Treff für linke Politik und selbstverwaltete Kultur in Mittelhessen.
Das Gebäude war 1981 besetzt worden. 1989 wurde die Nutzung durch Verträge legalisiert, die aber zehn Jahre später vom Hauseigentümer gekündigt wurden. Der Besitzer riss das Gebäude ab und errichtete einen Neubau. Der Info-Laden konnte Anfang 2001 kommunalpolitisch durchsetzen, dass die Gesellschaft für soziales Wohnen (GSW) ein Haus am Alten Wetzlarer Weg erwarb und an den Autonomen-Verein vermietete.
Gießen: Um AK 44 zu kaufen, planen Aktivisten GmbH und Hausverein zu gründen
Das AK 44 setzt sich aus vier Bausteinen zusammen. Der Info-Laden bietet Raum für diverse Initiativen, die dort Vorträge und Demonstrationen organisieren. Er ist Treffpunkt und Archiv für Literatur über die linke Stadtgeschichte oder Themen wie Antifaschismus, Flucht und Migration, Feminismus und Gender. Im Veranstaltungsraum finden Vorträge, Diskussionsrunden, Kneipenabende, Konzerte und Partys statt. Das Plenum soll Schnittstelle sein für Interessierte, Bewohner, Engagierte und Nutzer. Hier soll diskutiert und basisdemokratisch entscheiden werden, wie das AK 44 gestaltet wird. Oberhalb dieser Räume befindet sich ein Wohnprojekt.
Um das Haus zu kaufen, wollen die Aktivisten mit dem Mietshäuser Syndikat zusammenarbeiten. »Dazu gründen wir eine GmbH und einen Hausverein. Dem Hausverein obliegen alle Entscheidungen bezüglich Zimmervergabe, Finanzierung, Miethöhe etc. Das heißt, dass die Menschen, die im Haus wohnen, gemeinschaftlich und selbstbestimmt handeln und ihr Haus verwalten können«, heißt es in einer Broschüre der Aktivisten, in der sie um Unterstützer werben.
Das AK 44 soll »langfristig« als Ort für politische Organisation und Veranstaltungen bestehen bleiben. Es gehe darum, »das Haus dem Wohnungsmarkt zu entziehen und kostengünstiges und gemeinschaftlich organisiertes Wohnen langfristig zu ermöglichen«.
Gießen: Kauf von AK 44 soll über Bank- und Direktkredite ablaufen
Um den Kauf des Hauses zu finanzieren, wollen die Aktivisten zum einen einen Bankkredit aufnehmen. Zum anderen bauen sie auf Direktkredite. Dabei handelt es sich um Nachrangdarlehen, die – ohne Umweg über eine Bank – dem AK 44 zur Verfügung gestellt werden. »Dafür bieten wir unterschiedliche Zinssätze zwischen 0 und 1,5 Prozent.« Bei Nachrangdarlehen erhält der Darlehensgeber sein Geld bei einer Insolvenz erst nach allen anderen Gläubigern zurück. Die Aktivisten rechnen damit, einen Eigenanteil von 400.000 Euro aufbringen zu müssen. Eine Anfrage dieser Zeitung bei ihnen blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die GSW als Besitzerin des Gebäudes äußert sich grundsätzlich nicht zu möglichen Verkäufen. Wie deren Geschäftsführer Rainer Stoodt aber gegenüber dieser Zeitung sagt, gebe es noch keinen formalen Beschluss des Aufsichtsrats zu einer Veräußerung der Immobilie am Alten Wetzlarer Weg. Prinzipiell sei die Gesellschaft aber bereit, ein Haus zu verkaufen. Jedoch nicht an Investoren, die dort fast täglich anrufen und nach zum Verkauf stehenden Häusern fragen. Sondern an die Mieter. (Kays Al-Khanak)
Mit finanziellen Herausforderungen zu kämpfen haben nicht nur die Mieter des alternativen Wohnprojekts AK 44. Auch studentisches Wohnen in Gießen wird immer teurer.