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Wo die Biene Königin ist

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Von: Annette Spiller

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Sorgt für bis zu 35 Völker: Am liebsten arbeitet Hartmut Lanz direkt an den Bienenkästen. © Oliver Schepp

Wer es sich aussuchen könnte, wäre sicher nur zu gerne Biene bei Hartmut Lanz. In seiner Familien-Imkerei entsteht der »Gießener Honig«. Bis zu 35 Völker helfen ihm dabei, bald in der sechsten Saison. Wie er dazu kam, was das an Arbeit bedeutet, was ihm daran gefällt und warum der etwas verpeilte Willy bei »Biene Maja« ganz gut getroffen ist, erzählt der Diplom-Forstwirt in seinem Garten.

Ortstermin unter den Obstbäumen im Garten der Familie am Alten Friedhof. »Hoppla, da ist ja noch ein Mann«, zeigt Hobby-Imker Hartmut Lanz auf ein etwas beleibteres Tier. »Normalerweise schmeißen die Arbeiterinnen die Drohnen Ende Juli raus, weil dann in der Regel keine Königinnen mehr befruchtet werden müssen.« Der 47-Jährige steht an einem der acht Bienenkästen und hat eine Wabe herausgezogen. Von Nahem erkennt man die winzigen Larven der letzten Brut. Der Rauchgeruch aus dem Smoker hängt über dem Kasten - innen drin ist er voller Bienen. »Es gibt nichts mehr zu tun. Deshalb lungern die jetzt hier gechillt herum«, erklärt Lanz. Einen Schutzanzug braucht er nicht. Mit dem Rauch hat er dem Volk einen Brand vorgegaukelt, woraufhin sich die Arbeiterinnen im Stock die Honigmägen füllen, um ihre Vorräte zu sichern, und dadurch abgelenkt sind. Lanz hat eine weitere Drohne entdeckt und holt sie vorsichtig mit zwei Fingern heraus: »Die haben keinen Stachel, aber schauen Sie: Große Augen, ein bisschen dicklich und dann dieser unbeholfene Flug«, sagt er, lässt das Tier los und lacht: »Der Erfinder von Biene Majas Freund Willy muss wohl Imker gewesen sein.«

Abstapeln und draufstapeln

Lanz selbst ist das mit Leib und Seele. 30 bis 35 Völker besitzt er je nach Jahr, die nicht nur in seinem Garten, sondern auch am Schiffenberg, bei Gartenbau Koch auf dem Gelände und in Annerod stehen. Pro Volk können das in der Hochphase bis zur Sommersonnenwende 50 000 Tiere pro Volk sein. Kaum zu glauben, dass alles erst 2018 mit dem Interesse seiner Kinder an der Bienen-AG der Liebigschule begonnen hat, auch wenn schon sein Großvater Bienen gehalten habe. Im gleichen Jahr übernimmt Lanz den Ableger eines Volkes von einem Freund, kauft ein Jahr später zwei Völker hinzu - so nimmt die Leidenschaft ihren Lauf. Er liest Berge von Büchern, bildet sich online weiter und besucht Kurse beim Imkerbund. Längst engagiert sich Lanz im Imkerverein Gießen mit anderen bei der Ausbildung von Jungimkern - von denen immer mehr weiblich sind.

Die Kenntnis, was gutes Imkern bedeutet, ist ihm wichtig und damit artgerechte Haltung, Tierschutz und Fürsorge: »Imkern liegt im Trend. Aber es ist nicht damit getan, sich einen Kasten auf den Balkon zu stellen, um das Ökogewissen zu befriedigen. Man muss dafür sorgen, dass es der Biene gut geht. Das heißt Wissen, Arbeit und Verantwortung.« Und man brauche Zeit, je nach Phase des Bienenjahrs mehr oder weniger - in der Saison wendet Lanz zusammengenommen etwa einen Tag pro Woche für seine Völker auf.

Ein Bienenjahr beginne übrigens am 1. August - »mit der Vorbereitung der Völker auf den Winter und die Saison im nächsten Jahr.« Das heißt: Behandlung gegen die Varroa-Milbe und Auffüttern in den Kästen, weil jetzt die letzte Brut des Jahres gepflegt wird, aber schon die Nahrung in den Blüten fehlt. Dazu trägt auch der Trockensommer bei, der den Bienen hinsichtlich der Temperaturen aber nichts ausmacht: »Im Stock herrschen konstant 35 Grad, dafür sorgen die Tiere durch Wasserverdunstung und Befächelung.«

Ab Oktober ist Ruhe, im Februar geht es wieder los. Da wird geguckt, wie die Völker durch den Winter gekommen sind, die Waben werden eng gesetzt, damit es die erste Brut warm hat. Mit dem wachsenden Volk wird erweitert, dann kommen die Honigräume auf die Kästen. Die muss man immer wieder ab- und draufstapeln, um nach den Völkern zu schauen. 18 bis 20 Kilo Honig können sich in einem Honigraum befinden. »Imkerkrankheit Nummer eins: Rücken«, schmunzelt Lanz. Mitte Mai wird »geerntet«. Dann nochmal nach der Lindenblüte Ende Juli, Anfang August. Und dann beginnt alles von vorn. Lanz imkert mit dem Dadant-System, einem großen Bienenkasten mit viel Platz und Variabilität für das Nest. Das komme dem natürlichen Nestbau sehr nah, und beim Herausnehmen der Waben störe man durch den Spielraum im Kasten die Bienen nur wenig - »man quetscht oder rollt sie nicht«. Vielleicht sind die Lanz-Völker auch deshalb so ruhig, tolerieren ein nahes Herantreten und stechen selten - »außerdem ist die Rasse Buckfast sehr verträglich.«

Dass es immer etwas Neues zu lernen gebe beim Imkern, ist das, was Lanz Spaß mache: »Ich bin so ein Projektmensch und mag es, mich ständig weiterzuentwickeln.« Mittlerweile erzeugt er mit seinen Völkern in einem guten Jahr bis zu einer Tonne Honig - 1000 Kilogramm, die in der Wabe entdeckelt, dann geschleudert, gerührt, in Gläser gefüllt und etikettiert werden wollen - für die Frühjahrs- und die Sommersorte. Hier packt die ganze Familie mit an. Allein das Rühren bis zur Feincremigkeit dauert - »alles Handarbeit bei uns«, sagt der Hobbyimker.

Bis zu 1000 Kilo Honig im Jahr

2022 war ein gutes Jahr. Vertrieben wird unter dem Label »Gießener Honig« über das Stadtmarketing Gießen, den Laden und Marktstand von Gartenbau Koch und auch über den Ab-Haus-Verkauf. 7,50 Euro kostet ein 500-Gramm-Glas, dessen Inhalt zwar zu 80 bis 90 Prozent demetergerecht produziert, aber nicht -zertifiziert sei: »Das kostet uns und den Kunden einfach zu viel, und der Honig soll ja gekauft werden«, erklärt Lanz. Er habe nichts zu verbergen: Auch auf Instagram ist unter imkerei_lanz_giessen zu sehen, was so läuft in und um die Bienenkästen. 500 Kilo Zucker und mehr brauche er für das Einfüttern vor dem Winter. »Wenn ich da so in meiner Garage sitze und in meinen Eimern Zuckerwasser anrühre, fühle ich mich wie ein Kleinbauer, der gleich seine Tiere versorgt.« Im Grunde sei es eine einfache Gleichung, sagt Lanz: »Geht es den Bienen gut, geht es dem Imker gut.« Für die Produktionsgemeinschaft des »Gießener Honigs« ist das keine Frage.

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