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Widerstand gegen Waldverlust regt sich - Kritik an der Stadt wird lauter

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Von: Burkhard Möller

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»Informativer Spaziergang« am Firmengelände von Bieber+Marburg.
»Informativer Spaziergang« am Firmengelände von Bieber+Marburg. © Burkhard Moeller

Für einen Firmenausbau soll in Gießen ein Waldstück weichen. Die heimischen Naturschützer haben Einwände.

Gießen. Gegen eine Planung der Stadt Gießen, dem Unternehmen Bieber+Marburg eine erneute Betriebserweiterung im Wald am Steinberger Weg zu ermöglichen, regt sich Widerstand. Am Samstagnachmittag (19.03.2022) schlossen sich gut 30 Vertreter von heimischen Naturschutzgruppen und naturverbundene Bürger einem »informativen Spaziergang« am Firmengelände und durch das zur Rodung vorgesehene Waldstück an.

Es geht um vier Hektar im zwischen Steinberger Weg und Leihgesterner Weg gelegenen Bundesforst. »Das alles hier soll ab November gefällt werden«, sagte Lutz Hiestermann, Vorsitzender von Lebenswertes Gießen und der Fraktion Gigg/Volt im Stadtparlament, während der Waldbegehung, die von einer Polizeistreife auf Distanz begleitet wurde.

Hiestermann bezog sich auf eine Projektbeschreibung des Stahl- und Bauunternehmens, die sich als Anhang im Antrag des Magistrats auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans findet, über den am morgigen Dienstagabend der parlamentarische Bauausschuss beraten wird.

Firmenerweiterung in Gießen: Rodung ab November vorgesehen

Laut dieser Beschreibung soll die Rodung zwischen dem kommenden November und Februar durchgeführt werden. Bis März 2025 will Bieber+Marburg zwei Hochregallager errichten. Es wäre die zweite Erweiterung nach 2009; bereits damals wurde ein knapp drei Hektar großes Stück Schutz- und Erholungswald, das westlich ans Betriebsgelände anschloss, gerodet. Auch die jetzt beabsichtigte Erweiterung geht in Richtung Leihgesterner Weg.

Diese mit der Rodung verbundene Ausdehnung ist bereits im Entwurf des Regionalplans Mittelhessen 2021 eingetragen worden, was auf Verwunderung stieß. Grund: Die Erweiterung 2009 war vom Regionalparlament nur unter der Maßgabe genehmigt worden, dass es danach keine weitere mehr gibt. »Wir waren schockiert, dass der Wald als Industrie- und Gewerbefläche im neuen Regionalplan schon steht«, sagte Matthias Korn von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON). Korn verwies in diesem Zusammenhang auf den »Prüfbogen zur Strategischen Umweltprüfung und zur raumordnerischen Abwägung«, der in den Unterlagen zum Regionalplan zu finden ist. Die Umweltprüfung hatte ergeben, dass auf die Rodung verzichtet werden sollte, in der Gesamtabwägung wurde die Umwidmung der Wald- in eine Industriefläche dann aber befürwortet. »Mir bleibt unerklärlich, wie man zu diesem Urteil kommen kann«, sagte Korn.

Als Argumente »pro Planung« in dem Prüfbogen wird auf einen »Vorschlag der Stadt« verwiesen, wonach die Betriebsfläche von Bieber+Marburg »vollständig ausgeschöpft« sei und der Wald durch die Existenz des Industriebetriebs und die nahe Autobahn »vorbelastet« sei.

Gegenüber der GAZ hatte die Stadt mit Blick auf den »langfristig« gültigen Erweiterungsstopp aus 2009 vergangene Woche argumentiert, dass nach 14 Jahren eine Neubewertung zulässig sei. Dass die Langfristigkeit einer Festlegung nach 14 Jahren ihre Gültigkeit verliere, bezeichnete Thomas Hilbrich vom Verein Lebenswertes Gießen als »höchst erklärungsbedürftig«. Da stelle sich die Frage »nach der Verlässlichkeit von Politik«. Lutz Hiestermann bezeichnete diese Argumentation des Magistrats als »intellektuelle Beleidigung«.

Wald in Gießen in Gefahr: Weigel-Greilich in der Kritik

In der Kritik beim Ortstermin im Wald stand vor allem die Planungsdezernentin der Grünen. »Was Gerda Weigel-Greilich alles mitmacht...«, sagte kopfschüttelnd Eckart Schneider, der in Gießen in der Agenda 21- und Klimaschutz-Bewegung 2035 Null engagiert ist.

Kritisch hinterfragt wurde von Teilnehmern des Spaziergangs auch die Wirksamkeit von naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen. So soll der Waldverlust am Stadtrand von Gießen im östlichen Kreisgebiet ausgeglichen werden. Nach Beobachtung von HGON-Sprecher Korn indes sind bis heute die Ausgleichsmaßnahmen für den Waldverlust von 2009 nur unzureichend durchgeführt worden. Korn hatte die Bereiche am Samstag in Augenschein genommen und kam zum Ergebnis: »Mehr als die Hälfte der Maßnahmen ist nicht umgesetzt worden.« Dagegen hatte die Stadt gegenüber der GAZ von einer zufriedenstellenden Bilanz gesprochen.

Von den drei Koalitionsfraktionen Grüne, SPD und Gießener Linke, die die Firmenerweiterung dem Vernehmen nach bislang mittragen, war nur der Stadtverordnete Fabian Mirold-Stroh (Grüne) im Wald dabei. (mö)

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