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Wenn wummernde Bässe stören

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Gießen (pm). »Wummernde Bässe«: So knapp lässt sich zusammenfassen, was vielen Menschen, die in Hörweite von Veranstaltungsstätten und Open-Air-Events leben, die Ruhe stört. Wie solch tieftönende Beschallung praxisgerecht gemessen und aussagekräftig bewertet werden kann, interessiert ein Team der Technischen Hochschule Mittelhessen. Unter dem Titel »Tieffrequente Immissionen im Freizeitlärm« ist an der THM ein Forschungsprojekt angelaufen, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 655 000 Euro gefördert wird.

Davon fließen 525 000 Euro an die THM. Weitere 40 000 Euro steuert die Industrie bei.

Prof. Benjamin Bernschütz, der am THM-Fachbereich Management und Kommunikation Elektroakustik und Beschallungstechnik lehrt und zuvor als schalltechnischer Sachverständiger tätig war, leitet das Vorhaben. Partner bei dem Verbundprojekt sind das Institut für Nachrichtentechnik der TH Köln, die Kramer Schalltechnik GmbH aus Sankt Augustin und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.

Aussagekräftige Messwerte fehlen

»Lärmbeschwerden im Kontext von Veranstaltungen nehmen massiv zu und sind auch vielfach begründet. Die rechtliche Situation ist sehr kritisch, die Behörden sind verzweifelt und Veranstalter stark verunsichert. Wir brauchen dringend eine verlässliche und praxisgerechte Grundlage für die Messung und Beurteilung der Immissionssituation«, sagt Bernschütz.

Zwar reglementieren die Freizeitlärmrichtlinien der Länder in Verbindung mit der DIN 45680 formal Schallemissionen im unteren Frequenzbereich. Doch die Norm wurde ursprünglich für Gewerbe- und Industrielärm konzipiert.

Das THM-Team will dieses Defizit beheben und mit Blick auf die Veranstaltungsbranche ein praktikables Mess- und Beurteilungsverfahren entwickeln. So soll die Grundlage für ein verbindliches Regelwerk und für Veranstalter eine stabilere rechtliche Grundlage geschaffen werden. Damit ist das Ziel verbunden, die Bevölkerung vor belästigendem oder sogar gesundheitsgefährdendem Lärm im tiefen Frequenzbereich zu schützen. Denn in Deutschland ist das Recht auf gesunde Wohnverhältnisse im Bundes-Immissionsschutzgesetz verankert.

Das Projekt läuft bis zum 2027. Zunächst geht es darum, eine umfassende Datenbasis zu schaffen. Dazu will man im Umfeld von mindestens 200 Musikveranstaltungen vor allem tieffrequente Immissionen messen und parallel dazu die Höreindrücke vor Ort von schalltechnischen Sachverständigen subjektiv beurteilen lassen. Ergänzend soll eine dreistellige Zahl von Hausfassaden auf ihre Transmissions-eigenschaften im Bassbereich analysiert werden. Dazu fehlen bisher ebenfalls genauere Erkenntnisse. Geplant sind weiterhin umfangreiche psychoakustische Experimente, um die Störwirkung von solch veranstaltungstypischen Geräuschen auf den Menschen zu untersuchen und geeignete Gegenmaßnahmen abzuleiten.

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