Weltliteraturformat in Gießen

Nachdem im vergangenen Halbjahresprogramm des Literarischen Zentrums alle Veranstaltungen wieder planmäßig stattfinden konnten und alle Lesungen nahezu ausverkauft waren, ist das Team optimistisch. Auch im neuen Halbjahresprogramm wird es wohl wieder ungetrübtes (Vor)lesevergnügen geben. Spannende Autoren sind allemal am Start - und zwei Neuerungen.
Steve Sem-Sandberg ist zwar selbst kein Literaturnobelpreisträger - auch wenn er den nach Ansicht des LZG-Vorsitzenden Prof. Sascha Feuchert durchaus verdient hätte. Aber er ist Mitglied der Schwedischen Akademie, die über die Vergabe der Literaturnobelpreise entscheidet. Er ist also ohne Zweifel ein Autor mit Weltliteraturformat, der im neuen Leseprogramm des Literarischen Zentrums zu Gast sein wird. Das stellten nun Feuchert und die beiden LZG-Geschäftsführerinnen Dr. Anika Binsch und Hannah Brahm der Presse vor.
»W.«, Woyzeck und Wahnsinn
Steve Sem-Sandberg wird am Donnerstag, 21. Juli, 18.30 Uhr, im Palmenhaus des Botanischen Gartens seinen Roman »W.« vorstellen, in dem er in Anlehnung an Georg Büchsners Woyzeck eine literarische Figur in einer durchaus, so Feuchert, »anstrengenden« Geschichte zwischen Krieg, Schuld, Wahnsinn, einem Mord aus Leidenschaft und Liebe beschreibt.
Dass Büchner unfreiwillig eng mit Gießen verbunden war, ist kein Geheimnis. Dass Steve Sem-Sandberg in Gießen für seinen preisgekrönten Roman »Die Elenden von Lódz« an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur geforscht hat, dürfte hingegen wohl weniger bekannt sein. Sem-Sandberg spricht zwar sehr gut Deutsch, aus seinem Roman wird im Botanischen Garten aber Schauspieler Sebastian Songin lesen, das anschließende Gespräch von Moderator Feuchert mit dem Autor wird in Englisch geführt. Es handelt sich um eine Kooperationsveranstaltung des LZG mit der Universität und deren neuer Veranstaltungsreihe »Kultur im Garten«. Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro (für LZG-Mitglieder 4 Euro).
Ein weiterer, zumindest in Deutschland prominenter Autor im neuen LZG-Halbjahresprogramm ist Daniel Schreiber, dessen Roman »Allein« aktuell viel diskutiert wird. Single-Dasein als angebliches »Versagen«, das unschöne Gefühl von Einsamkeit. Die erzwungene Distanz zu den Anderen im Corona-Lockdown - Schreibers Roman trifft einen Nerv und der Autor geht in seinem Essay auch eigenen tiefsten Ängsten schonungslos nach. Am Mittwoch, 28. September, 19 Uhr, ist er damit im Ulenspiegel zu Gast (bei schönem Wetter im Biergarten, Eintritt 10, ermäßigt 8 Euro).
Weitere interessante Lesestunden versprechen die Comicautorin Anna Geselle mit ihrem Comic »Furiositäten« (8.. September im Prototyp im Rahmen der »Giennale«), in dem sie untersucht, warum weibliche Wut anders als männliche bewertet wird. Auch die OVAG-Literaturpreisträgerinnen Lilli Weiskopf und Pia Bonn präsentieren ihre Texte am Sonntag, 4. September (in Kooperation mit der Reihe »eine(r)liest«) in den Marktlauben. Und die heimische Bilderbuchautorin Antje Damm eröffnet am 13. Juli (15 Uhr) mit ihrem Bilderbuch »Die Wette« in der Mediothek der Lollarer Clemens-Brentano-Schule eine neue Reihe mit Lesungen für Kinder (Anmeldung erforderlich, neu sind zudem Buchempfehlungen ausdrücklich für Kinder im LZG-Programmheft). Auch die Sommerinszenierung der JLU-Germanistik-Theatergruppe »Das Spiel vom Hl. Ursus« nach einem Text von Hans Wagner aus dem Jahr 1581, ist Teil des LZG-Programms und wird in Gießen am Donnerstag, 14. Juli, ab 19.30 Uhr im Botanischen Garten zu erleben sein (Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3).
Goethes Spuren in Gießen und Wetzlar
Erstmals wird es im LZG-Programm eine Kombiveranstaltung an zwei Tagen in Wetzlar und Gießen geben. Anlass sind Goethes Eintreffen vor 250 Jahren in Wetzlar und die bekannten literarischen Folgen. Eine »goethisch-literarische Begegnung zwischen Wetzlar und Gießen« soll das am 11. und 18. September, jeweils ab 11 Uhr, würdigen. Am ersten Sonntag kann man am Wetzlarer Domplatz und Lottehof Goethe und Charlotte begegnen und zentrale Orte aus dem Leben des Dichterfürsten besuchen. Am folgenden Sonntag können Teilnehmer dann in Gießen weitere Akteure der damaligen literarisch-kulturellen Szene kennenlernen und sich von Hans Sarkowicz bei einer Lesung im Netanya-Saal aus seinem Buch »Monsieur Göthe: Goethes unbekannter Großvater« über die weniger bekannten familiären Hintergründe aufklären lassen. Auch ein Besuch des historischen Ballsaals in Volpertshausen, wo der Grundstein für »Die Leiden des jungen Werther« gelegt wurde, kann dazugebucht werden. Für die mehrstündige Kombiveranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich. Das Ticket kostet 20, ermäßigt 15 Euro.


