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Weibliche Wut als Tabubruch

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Von: Sascha Jouini

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Anna Geselle (l.) mit Moderatorin Sandra Binnert auf einem Sofa im Prototyp. © Sascha Jouini

Von der Göttin Athene über Mary Shelley bis hin zur US-Rapperin Lizzo: Anhand historisch oder popkulturell wichtiger Frauen zeigt Anna Geselle in »Furiositäten«, nach welchen gesellschaftlichen Skripten wir Wut, besonders weibliche, bewerten. Auf Einladung von LZG und Giennale stellte sie den Comic im Prototyp vor.

Bei einer Lesung des Literarischen Zentrums präsentierte Anna Geselle im Prototyp vor zahlreichem Publikum ihren Comic »Furiositäten« über weibliche Wut. Zum Thema der Veranstaltung im Rahmen der Giennale führte Jana Peils Hörstück »Furia 404« hin. Dieses rief ins Bewusstsein, dass Wut bei Frauen tabuisiert ist und regte an, über Verhaltensnormen nachzudenken.

Den geschlechtsbezogenen Aspekt beleuchtet auch Anna Geselles Comic, dessen Idee und in Teilen auch die Umsetzung auf ihre Masterarbeit in Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Illustration zurückgeht. Im Gespräch mit Moderatorin Sandra Binnert erzählte Geselle, wie sie auf das Thema gestoßen ist. Während Wut in der Kindheit ungehemmt rausgelassen werden dürfe, verschwinde sie im Erwachsenenalter - gerade bei Frauen. Sie stellte sich die Frage, ob es sinnvoll ist, dieses Gefühl zu unterdrücken. So sei Wut in unserer Gesellschaft negativ behaftet, werde mitunter versteckt. In prägnanten, auf die Leinwand geworfenen Bildern zeigte die Autorin Mittel, damit umzugehen. Eine Möglichkeit, Stress abzubauen, ist Wut-Yoga, eine andere, Wut und Enttäuschung in gesellschaftlich akzeptierte Emotionen umzuwandeln. Doch sei es heikel, wenn sich Aggressivität gegen einen selbst richte oder gar verleugnet werde.

Wut als Initiator für Veränderungen

Wie man Wut auslebt und wahrnimmt, hänge mit unserer Sozialisation zusammen. Selten werde Wut von Frauen akzeptiert, dies gelte im öffentlichen, aber auch im familiären Rahmen, wo es hingenommen werde, wenn Männer in ihrer Beschützerfunktion Wutausbrüche haben.

Im Ganzen sprechen die bunten, klar konturierten Comicbilder unmittelbar an. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema scheint gelungen. Geselle fordert ein ums andere Mal auf, von überholten Vorstellungen Abschied zu nehmen. So sei bereits die Gegensätzlichkeit zwischen Emotionalität und Rationalität - erstere Frauen, letztere Männern zugeschrieben - höchst fragwürdig: In Wut könne man sehr wohl vernünftig sein, wenn die Gründe gerechtfertigt sind. Letztlich sei Wut in unserer patriarchalischen Gesellschaft machterhaltend, stellte die Autorin fest; gegen solche Strukturen anzugehen, werde unterbunden.

Geselle hat nach Ereignissen gesucht, die in der westlichen Kultur für sinnstiftende Erzählungen stehen, und daraus einen Comic-Einschub gemacht. Hinter den Ausstellungsobjekten des »Museum of Female Rage« stehen geschichtliche Ereignisse wie eine Szene aus der Antike, in der Xanthippe ihrem Mann Sokrates den Nachttopf gegen den Kopf wirft. Für die Autorin spiegelt sich in der Anekdote wieder, dass Frauen Arbeit leisteten, die nicht anerkannt werde. Eine aufschlussreiche Szene zeigt, wie die frustierte Tennisspielerin Serena Williams bei einem Match ihren Tennisschläger zerstört und mit heftigen Reaktionen konfrontiert zu sehen. Bei einem männlichen Sportler wäre das Echo gewiss anders ausgefallen.

Mit dem Comic hat Geselle das richtige Medium gefunden, um ihre feministische Sichtweise einem breiten Publikum nahezubringen. Zum politischen Aspekt untermauerte sie, Wut könne »ein Initiator für Veränderung sein« - eine Mut machende Schlussbotschaft.

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