Mietspiegel für Gießen: Experte über den Nutzen und eine mögliche Mietpreisbremse

Jurist Daniel Halmer von dem „Legal Tech“-Unternehmen Conny äußert sich zu den Kriterien und dem Nutzen eines Mietspiegels in Gießen.
Gießen – Bis Ende 2023 soll es in Gießen einen qualifizierten Mietspiegel geben. Dies könnte die Mieterinnen und Mieter der Stadt aber enttäuschen. Daniel Halmer, der Gründer des „Legal Tech“-Unternehmens Conny, erklärt, wie der Mietspiegel Vermietern hilft und warum sich Mieter für eine Mietpreisbremse einsetzen sollten.
Bisher gibt es in Gießen keinen Mietspiegel; das wird sich in absehbarer Zeit aber ändern. Bis Ende 2023 will die Stadt eine solche Übersicht der Mietpreise präsentieren. Wer jetzt hofft, das führt zu günstigeren Mieten, den enttäuscht Daniel Halmer. Der Gründer des „Legal Tech“-Unternehmens Conny in Berlin hilft Betroffenen dabei, die Mietpreisbremse durchzusetzen. Ein Mietspiegel ohne eine Mietpreisbremse hat laut Halmer nur wenige Effekte. Den Mieterinnen und Mietern aus Gießen rät der Jurist deswegen, politischen Druck aufzubauen. Das habe auch in anderen Städten funktioniert.
Über den Nutzen und die Kriterien eines Mietspiegels in Gießen
Was genau ist ein Mietspiegel überhaupt?
Ein Mietspiegel ist ein komplexes Rechenwerk, das „ortsübliche Vergleichsmieten für bestimmte Wohnungen an einem bestimmen Ort“ aufzeigt, erklärt Halmer. Darin werden neben den Mietpreisen zum Beispiel auch die Lage innerhalb der Stadt, der Zustand des Gebäudes und der Zustand der Mietwohnung selbst erfasst.
Gießen wird einen qualifizierten Mietspiegel erhalten. Was bedeutet das?
Der Jurist sagt: „Ein einfacher Mietspiegel genügt nicht den gesetzlichen Kriterien, ein qualifizierter Mietspiegel schon.“ Er muss dafür nach vorgegebenen wissenschaftlichen Kriterien erstellt werden und ist dann rechtlich bindend für Mieterhöhungen. Im qualifizierten Mietspiegel werden die Mieten der vergangenen sechs Jahren betrachtet; er muss alle zwei Jahre neu erstellt werden.
Sind im Mietspiegel nur Neuvermietungen oder auch Bestandsmieten erfasst?
Der Mietspiegel enthält nicht nur Angebotsmieten, die zum Beispiel von Portalen wie Immoscout veröffentlicht werden, sondern auch die Bestandsvermietungen.
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Mietspiegel in Gießen: Sozialwohnungen sind nicht enthalten
Werden auch Sozialwohnungen aufgenommen?
„Es werden auch günstige Wohnungen von privaten Vermietern aufgenommen, aber keine Sozialwohnungen“, sagt Halmer. Der Mietspiegel gilt nur für den „frei finanzierten Wohnungsbau“.
Wie hilft ein Mietspiegel den Mieterinnen und Mietern?
„Mieter können sich mit einem Mietspiegel darüber informieren, ob eine Wohnung zum ortsüblichen Preis vermietet wird“, sagt Halmer. Sollte die Miete der eigenen Wohnung aber über dem ortsüblichen Mietpreis liegen, können sie alleine mit einem Mietspiegel nichts dagegen unternehmen. Versucht der Vermieter jedoch gerade erst die Miete über diese Grenze zu erhöhen, kann der Mieter der Erhöhung unter Verweis auf den Mietspiegel nicht zustimmen.

Hilft ein Mietspiegel auch Vermieterinnen und Vermietern?
Der Vermieter kann unter Berufung auf den rechtlich bindenden Mietspiegel die Miete alle drei Jahre um 20 Prozent – bis zur ortsüblichen Miete – erhöhen. In Kommunen mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ aber ohne Mietpreisbremse um 15 Prozent.
Experte möchte nicht nur Mietspiegel: Eine Mietpreisbremse ist ebenfalls sein Ziel
Was macht nun die Mietpreisbremse?
Die Mietpreisbremse schreibt den Vermietern vor, dass sie bei einer Neuvermietung nur noch zehn Prozent mehr als die im Mietspiegel festgelegte Vergleichsmiete verlangen dürfen. Halmer sagt: „Die Mietpreisbremse erlaubt Mietern vor allem aber auch das Absenken der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete.“
Warum hat Gießen keine Mietpreisbremse?
„Die Verordnung zur Mietpreisbremse erlässt die Landesregierung“, sagt Halmer. Sie listet darin die betroffenen Kommunen mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ auf. Dafür gebe es vorgeschriebene Richtlinien und Gießen falle im Gegensatz zu 49 anderen hessischen Kommunen nicht darunter. Halmer erklärt aber: „Auch wenn die Kriterien für diese Beurteilung festgeschrieben sind, kommt es auch immer darauf an, wie die Daten dafür erhoben und ausgewertet werden.“ Prominente Beispiele von Städten, bei denen öffentlicher Druck eine Neubewertung erwirkt habe, seien Leipzig und Dresden. (Sebastian Schmidt)