Warum in Gießen Bäume gefällt werden
„Kahlschlag“? Nach der lautstarken Kritik an Baumfällungen im Stadtgebiet hat der Gießener Magistrat eine Bilanz vorgelegt.
Gießen - Schon wieder sechs Monate ist es her, dass die Fällung von fast 40 großen Pappeln am Martha-Mendel-Weg in Gießen für Aufregung sorgte. Die damit einhergehende Veränderung des Landschaftsbilds ist bei Radfahrern und Joggern, die dort unterwegs sind, und im nahen Rödgen immer noch ein Thema. Im Ortsblatt »Räärer«, das die Freien Wähler herausgeben, war bereits im April von einem »gnadenlosen Kahlschlag« die Rede.
In einer von der AfD-Fraktionsvorsitzenden Sandra Weegels abgefragten Bilanz zu den Baumfällungen, die im vergangenen Herbst und Winter vorgenommen wurden, hat der Gießener Magistrat nun nochmals auch zu der Fällung am Martha-Mendel-Weg Stellung bezogen und als Grund »Verkehrssicherung« an einem »stark frequentierten Radweg« angegeben.
Bei den mehr als 80 Jahre alten Bäumen sei eine neuerliche Kronenlichtung nicht mehr in Frage gekommen, wiederholt habe es Hinweise aus der Bevölkerung über heruntergestürzte Äste und »dadurch entstehende Sicherheitsprobleme« gegeben, heißt es in den Antworten von Stadträtin Gerda Weigel-Greilich (Grüne). Nach ihrer Erwartung wird sich an der Stelle eine »neue Vegetation gewässerbegleitend optimal entwickeln« und mehr Arten einen Lebensraum bieten als die nicht standortgerechten Pappeln.
Baumfällungen in Gießen: „Vitalitätsverlust“ ist in der Regel der Grund
Wie eine Liste aus der letzten Fällperiode zeigt, ist »gefährdete Verkehrssicherheit« der Hauptgrund. Von den rund 270 aufgeführten Fällungen entfielen nur rund 30 auf andere Gründe. Genannt werden »Konflikte« mit »Nachbargebäuden« oder »Neubauvorhaben« sowie der »Dichtstand« von Bäumen. Die Fällungen verteilen sich im Grunde aufs ganze Gießener Stadtgebiet und betrafen alle Arten von Bäumen, nicht selten standen sie an Lahn, Wieseck oder dem Klingelbach.
Müsse ein Baum gefällt werden, um Gefahren für Passanten oder Verkehrsteilnehmer abzuwenden, sei in der Regel ein »Vitalitätsverlust« der Grund, heißt es in den Antworten auf die Fragen der AfD-Stadtverordneten.

Auch die falsche Wahl eines Pflanzstandorts könne eine Rolle spielen. Im Alter reiche der zur Verfügung stehende Wurzelraum dann nicht mehr aus. Aber nicht jede Vorschädigung eines Baums bedeute ein Todesurteil. Durchschnittlich 900 Pflegemaßnahmen, um Bäume zu erhalten, würden im Jahr durchgeführt. Die Fällung wegen einer Verkehrsgefährdung sei immer eine Abwägungsentscheidung und eine »tägliche Aufgabe« für die Baumexperten des Gartenamts. Externe Sachverständige werden bei Fällungen wie am Martha-Mendel-Weg nicht hinzugezogen.
Gießen: 900 Maßnahmen zum Baumerhalt
»Das Gartenamt ist mit dem eigenen Gartenkontrolleur und dem Sachgebeitsleiter städtische Baumkontrolle und Baumpflege fachlich allerbestens in der Lage, die im Rahmen der Regelkontrolle festgestellten Symptome eigenständig zu bewerten und die daraus resultierenden Maßnahmen festzulegen«, betonte die Stadträtin.
Von GAZ-Lesern gab es in den letzten Tagen Kritik an zwei Fällmaßnahmen, die im Zusammenhang mit Neubauvorhaben von der Stadt Gießen genehmigt wurden. Es ging einerseits um die Bäume auf dem früheren Blecher-Gelände an der Ostanlage, die vor längerer Zeit einem von der Stadt genutzten Bürogebäude gewichen sind, und um die Exemplare, die an der Ecke Moltkestraße/Eichgärtenallee wegen eines Wohnhausbaus Anfang des Jahres gefällt wurden. (mö)