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Wartende, die sich im Zug spiegeln

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Thomas Maglione zeigt Menschen am Bahngleis. © Heiner Schultz

Gießen (kdw). Man sieht nie etwas wirklich Bekanntes im Neuen Kunstverein. So auch in der aktuellen Schau des Argentiniers Thomas Maglione namens »Thirst«. Gezeigt werden Videobilder von auf dem Bahnsteig wartenden Menschen. Der Clou: Es sind Reflexionen, die auf einem vorbeibrausenden ICE betrachtet und gefilmt wurden. Samstag war Eröffnung.

Maglione, Jahrgang 1985, stammt aus Buenos Aires, wo er auch zu studieren begann. Inzwischen studiert er seit 2019 an der Frankfurter Städelschule und lebt in Deutschland. Er hatte mehrere Einzel- und Gruppenausstellungen, unter anderem 2022 in Zürich und Köln. Gerade arbeitet er an einem eigenen Filmfestival, das Ende 2023 stattfinden soll.

Was zeigt er in Gießen? Es geht im Wesentlichen um Porträts, doch nicht im herkömmlichen Sinn, es sind wartende Menschen, die sich in einem vorbeirasenden Zug spiegeln, kleine Abbilder. »Aber es sind irgendwie auch Porträts von Geschwindigkeit«, sagt Maglione, »und vom Warten, was auch Teil meiner Praxis ist.«

Die Bilder sind unterlegt von rumpeligen, machtvollen und vielleicht bedrohlichen Geräuschen. Die hat Maglione extra aus eigenen Originalaufnahmen und anderen Quellen gemischt, manches wurde eigens zu jeder Einstellung produziert. Warum heißt das Ganze dann nicht »Waiting« oder »Speed«? »Ich wollte das nicht so wörtlich benennen«, sagte Maglione. Durst könne jedoch eines der Gefühle sein, das die Menschen gerade verspüren. Es sei nur ein Hinweis. Der Künstler will der Arbeit keinen eindeutigen Titel geben, vielleicht auch, um den Betrachter offen zu halten für jede mögliche Interpretation oder jedes Gefühl. »Die Menschen sollen das selbst erfahren, ich glaube an diesen Aspekt der Kunst«, fügt Maglione hinzu. »Der Titel ist wichtig, aber nicht der wichtigste Teil der Arbeit. Ich mag viele Bands, die schreckliche Namen haben.« Er fühle sich im Medium Video wohl, fügt der Künstler hinzu.

In diesem Sinne passt Magliones Videoinstallation gut zu dem Teil der hier gezeigten Arbeiten, deren Absicht mehr die Anregung des Betrachters ist oder das Eintreten in eine Art von Dialog. Wie man an einigen Besuchern bereits feststellen konnte, klappt das sehr gut, selbst die Kurzinformation des Vereins löste bereits eine eindeutige Neigung zur Auseinandersetzung mit der Arbeit aus. Denkt man über Geschwindigkeit und die Ruhe des Wartens nach und die Verbindung, die hier angelegt wird, öffnet sich der Horizont schon ganz schön weit.

Die Ausstellung ist bis 25. Februar zu sehen, geöffnet am 21. und 28. Januar sowie 4. und 11. Februar, jeweils 14 bis 17 Uhr. Künstlergespräch am 18. Februar um 14 Uhr.

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