Einrichtung von Waffenverbotszone in Gießen stockt – CDU enttäuscht und warnt vor Aufschiebung
Der Gießener Magistrat soll die Einrichtung einer sogenannten Waffenverbotszone in Gießen prüfen. So schnell, wie sich das die CDU vorgestellt hat, wird sie aber nicht kommen.
Gießen – Seit Anfang Mai steht fest: Wiesbaden bleibt vorerst die einzige Stadt in Hessen, in der es eine sogenannte Waffenverbotszone gibt. In Frankfurt konnte sich die aus Grünen, SPD, FDP und Volt bestehende Römer-Koalition nicht dazu durchringen, eine solche Zone im Bahnhofsviertel einzurichten. Ob Gießen die zweite oder dann vielleicht sogar einzige Stadt in Hessen sein wird, die eine Waffenverbotszone hat, wird sich erst Ende des Jahres entscheiden.
Am Montagabend beschloss der parlamentarische Rechtsausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, Gigg/Volt und der FDP, dass der Magistrat zunächst beim Polizeipräsidium Mittelhessen eine »Risiko- und Lageeinschätzung« zu Angriffen mit Messern oder waffenähnlichen Gegenständen einholt. Die Einschätzung der Waffenverbotszone in Wiesbaden solle abgewartet werden. In der Landeshauptstadt soll nach vierjähriger Geltungsdauer bis Ende September eine Evaluierung vorliegen.

Auf diesen Grundlagen soll der Magistrat dann die Einführung für Gießen prüfen, heißt es in einem von Grünen, SPD und Gießener Linke formulierten Änderungsantrag.
CDU Gießen beantragt Waffenverbotszone zwischen Bahnhof und Marktplatz
Vom Tisch ist damit die Forderung der CDU-Fraktion, dass die Zone alsbald eingerichtet wird. Die CDU hatte beantragt, dass sich die Stadt beim Landkreis dafür einsetzt, ein Waffenverbotsgebiet zwischen Bahnhof und Marktplatz einzurichten.
Hintergrund: In Hessen können nur kreisfreie Großstädte Waffenverbotszonen selbst einrichten. Alle anderen Kommunen, die das wollen, müssen an die jeweiligen Landkreise, bei denen die Waffenbehörden angesiedelt sind, herantreten. Dies wird in Gießen nun nicht gleich passieren. Eine Entscheidung soll laut Grünen-Fraktionschefin Vera Strobel »spätestens bis Ende des Jahres« fallen.
Waffenverbotszone in Gießen: CDU-Stadtverband wittert Spiel auf Zeit
CDU-Stadtverbandschef Frederik Bouffier zeigte sich trotz des Teilerfolgs seiner Fraktion enttäuscht. Die Koalition wolle das Thema offenbar »auf die lange Bank schieben« und ignoriere damit auch die Haltung der Polizei. Diese befürworte die Einrichtung einer Zone »sehr, sehr stark«, sagte Bouffier und plädierte für eine »zügige« Umsetzung.

Neben den Freien Wählern wird die schnelle Einführung einer Waffenverbotszone auch von der AfD unterstützt. Fraktionschefin Sandra Weegels, die wie Bouffier bei der Landtagswahl im Gießener Wahlkreis kandidiert, sieht in dem CDU-Vorstoß freilich ein Wahlkampfmanöver, mit dem die Union von ihrer Verantwortung für die Zunahme der Gewaltkriminalität ablenken wolle. Schließlich sei es die CDU-Kanzlerin Merkel gewesen, die in der Flüchtlingskrise massenhaft »patriarchalische Männergewalt« ins Land gelassen habe. Als Polizistin wisse sie, »wer die Täter sind«. In einer zweiten Wortmeldung sprach Weegels von einem »zugewanderten Problem seit 20, 30 Jahren«.
Bei Waffenverbotszone in Gießen: »Racial Profiling« und anlasslose Kontrollen befürchtet
Zuvor hatte Bouffier auf Weegels Merkel-Kritik mit der Aussage reagiert, es gehe um eine »kommunalpolitische Geschichte«. Aus Sicht von SPD-Fraktionschef Christopher Nübel war diese Replik auf die AfD zu schwach. »Sie mussten doch wissen, welche Reaktion ihr Antrag von dieser Seite hervorrufen wird. Warum sagen Sie nichts?«, fragte Nübel in Richtung Bouffier und plädierte für »faktenbasiertes Vorgehen« und »Fingerspitzengefühl«. Seine Koalitionskollegin Strobel wies die »ausländerfeindlichen Aussagen« von Weegels zurück.
Die Fraktionsvorsitzenden von Gigg/Volt, Lutz Hiestermann, und FDP, Dominik Erb, problematisierten die Möglichkeit, dass die Polizei in Waffenverbotszonen anlasslose Kontrollen durchführen kann. »Das ist ein starker Grundrechtseingriff. Für mich stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit«, sagte Erb und verwies auf das Beispiel Leipzig, wo eine Waffenverbotszone »nichts gebracht hat«. Hiestermann verwies auf Gespräche mit Ausländern, die eine Stigmatisierung - Stichwort »Racial Profiling« - befürchteten. Eine Vertreterin des Ausländerbeirats äußerte sich ähnlich.

Später schaltete sich auch der Magistrat in die Debatte ein. Bürgermeister und Ordnungsdezernent Alexander Wright (Grüne) berichtete, dass der Magistrat bereits zwei Tage nach Eingang des CDU-Antrags beim Polizeipräsidium um Zahlen gebeten habe. Diese wichen von denen im CDU-Antrag ab. Zudem führe man bereits kommende Woche ein Informationsgespräch mit den zuständigen Mitarbeitern der Stadt Wiesbaden.
Gießen: Überwachung der Waffenverbotszone durch Ordnungspolizei?
Unklar sei zum Beispiel, inwieweit die Ordnungspolizei in die Überwachung einer solchen Zone eingebunden sein würde. Dafür seien die Mitarbeiter im Moment weder ausgebildet noch ausgerüstet. »Was passiert denn, wenn eine Kontrolle eskaliert und jemand tatsächlich ein Messer zückt?«, fragte Wright. Anders als zum Beispiel in Frankfurt seien die Ordnungspolizisten in Gießen nämlich bewusst nicht mit Schusswaffen oder Tasern ausgerüstet.
Im Seltersweg sowie am Marktplatz kam es laut CDU-Antrag in den Jahren 2018 bis 2022 zu 41 Angriffen mit Messern oder anderen Waffen, in der Neustadt im selben Zeitraum zu 19 Attacken. In der Bahnhofstraße und am Bahnhof seien 37 Taten mit Messern oder anderen Waffen gezählt worden. Dies seien Zahlen der Polizei, sagte der Stadtverordnete Volker Bouffier. (Burkhard Möller)