„WBK International“ in Gießen: Waffenmesse ohne Waffen sorgt für Verdruss

Die Waffenmesse „WBK International“ findet aktuell in Gießen statt. Die Folgen eines juristischen Streits im Vorfeld spürt man bei den Händlern.
Gießen - Den juristischen Streit um die Ausrichtung der Waffenmesse »WBK International« in Gießen hat der Veranstalter Wolfgang Krey gewonnen. Doch die Auflagen und abgelehnte Ausnahmegenehmigungen zum Waffenhandel sorgen bei einigen Händlern und Besuchern für Verdruss.
Der Händler ist aus einem europäischen Nachbarland zur Waffenmesse nach Gießen gekommen, um vor allem Militaria zu verkaufen: Uniformen, Messer, Orden, aber auch Bücher. Wie sein Geschäft läuft? Der Mann winkt ab. Die Hälfte seiner Waren seien Devotionalien aus dem Zweiten Weltkrieg, auch einige von Nationalsozialisten. Doch genau die könne er hier nicht verkaufen. Er habe sie gar nicht ausgestellt, weil das Ordnungsamt unterwegs sei. „Die Auflagen…“, sagt er und schüttelt mit dem Kopf. Die Messe, ist er sich bereits am ersten Tag sicher, werde sich für ihn finanziell nicht lohnen. Das ändert auch der Kunde nicht, der seinen Dachboden auch mit Uniformen dekorieren will und dem Händler einige Stücke abkauft.
„WBK International“ in Gießen: Waffenbehörde lehnt Anträge ab
Das juristische Tauziehen um die Waffenmesse »WBK International« hat Veranstalter Wolfgang Krey am Mittwoch gewonnen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte die Beschwerde der Stadt gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen zurückgewiesen. Zuvor hatten die Gießener Richter die versagte gewerberechtliche Festsetzung der Messe durch die Stadt für ungültig erklärt und Krey die Organisation der Waffenbörse gestattet. Doch der Preis dafür ist hoch: Einige Händler sollen früh abgesprungen sein, statt in zwei Hallen findet die Börse seit dem gestrigen Donnerstag noch bis Samstag nur in Halle 3 statt. Dort sind zehn der 40 Stände verwaist. Hier hängt jeweils das Schild: »Dieser Stand ist vermietet. Der Aussteller kann wegen Krankheit leider nicht teilnehmen.«
Krey hatte auf mehrere Anfragen dieser Zeitung zur Diskussion um die Messe nicht reagiert. Nur einmal antwortet er, am gestrigen Donnerstagmorgen: »Wir erteilen aus gegebener Veranlassung keine Akkreditierung«, schreibt er. Journalisten sind also nicht erwünscht. Der Besuch der Messe kostet 15 Euro. Bereits am Donnerstagvormittag sind einige Besucher vor Ort. Die Nummernschilder zeigen Städte aus ganz Deutschland, aber auch aus dem europäischen Ausland. Es sind vor allem Männer, die hier durch die Gänge schlendern.
Dass die Stände vergleichsweise leer wirken, hat vor allem mit den Auflagen zu tun. Die Ordnungsbehörde der Stadt hat eine neunseitige Auflagen-Verfügung erstellt. Nach dieser dürfen auf der Messe nur Waffen ausgestellt werden, zu deren Erwerb keine Waffenbesitzkarte nötig ist. Die Waffenbehörde des Landkreises Gießen hatte 18 Anträge auf Ausnahmegenehmigungen abgelehnt - mit der Begründung, dass der Veranstalter »erhebliche Sicherheitsbedenken« nicht habe ausräumen können. Das Gros der rund 50 Aussteller - von denen 30 am Donnerstagvormittag vor Ort sind - hat laut Kreispressestelle im Lauf des Verfahrens die Anträge an die Waffenbehörde zurückgezogen. Die Stadt hatte zudem betont, der Verkauf von Medien und Gegenständen mit Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen sei nicht zulässig. Auch das Verwaltungsgericht hatte darauf hingewiesen, dass ein Abkleben der Symbole nicht ausreiche.
„WBK International“ in Gießen: »Stalingrad« und »Halbe« in Schusslochoptik
Daran halten sich die meisten Händler am Donnerstagvormittag. Nur an einem Stand ist auf einem Schild das »SS« beim Wort »Waffen-SS« unkenntlich gemacht worden, daneben hängt ein Emaille-Schild mit der Aufschrift »Wolfsschanze«, dem Führerhauptquartier. Ein Händler verkauft Sportbögen und Armbrüste, das Modell Guillotine-M für 345 Euro. Wer sich für das Schild »Halt! Reichsgrenze« interessiert, kann dies für 45 Euro haben - oder verhandeln. Daneben stehen zwei Schilder mit der Aufschrift »Stalingrad« und »Halbe« in Schusslochoptik, zwei Orte von Schlachten im Zweiten Weltkrieg.
Es gibt Hülsen von Flugzeug- oder Flakmunition, nicht mehr funktionsfähige Hand- und Stielhandgranaten, Messer, Rüstungen und Musketen sowie Softair-Waffen und Luftgewehre, alte Wehrmachtsfotos, schwarz-weiß-rote Fahnen mit eisernem Kreuz und Militär-Orden. Zu finden gibt es auch Messinggewichte. Ein Händler verkauft Soldatenverpflegung wie Marmelade oder Erdnussbutter. Außerdem hat er zig Flachmänner von einem 1935er Weinbrand im Angebot. Kostenpunkt: weit über 1000 Euro inklusive Holzkiste.
Wer in einer Bücherkiste wühlt, findet den Roman »Volk ohne Raum« des völkischen Schriftstellers Hans Grimm oder das Buch »Hexen-Einmal-Eins einer Lüge«, in dem der Autor Emil Aretz den Holocaust anzweifelt. Sechs Millionen jüdische Opfer hält er laut Klappentext für eine »Propagandazahl«. Für das Buch »Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei« vom NS-Propagandaminister Joseph Goebbels will der Händler 58 Euro.
„WBK International“ in Gießen: Marmelade und Goebbels-Buch
Der juristische Streit um die Messe ist Thema vieler Gespräche an den Ständen. Einer erzählt, er habe sich im vergangenen Jahr nach der pandemiebedingten Pause auf die von Krey organisierte Waffenmesse in Kassel gefreut. Die sei aber abgesagt worden, weil ein Politiker erschossen worden sei. Hintergrund ist der Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch den mittlerweile verurteilten Neonazi Stephan Ernst. »Was hat das mit der Messe zu tun«, fragt er. Ein paar Meter weiter unterhalten sich zwei Männer an einem Stand. Natürlich sei eine Waffenmesse keine Börse für Pflänzchen oder Gartenzubehör, sagt der eine. Aber klar sei auch, betont der Mann: Eine Militaria-Messe gegen den Willen einer Stadt auszurichten, sei nicht sinnvoll. Diese Art von Publicity können Händler und Sammler wirklich nicht gebrauchen.
Das städtische Ordnungsamt war mit Kräften der Polizei in den Hessenhallen, um die Waffenmesse zu kontrollieren. Die Kräfte seien zivil gekleidet und nicht erkennbar gewesen, teilt die Stadt mit. Hinsichtlich der NS-Devotionalien seien keine Feststellungen gemacht worden. Allerdings gebe es Klärungsbedarf wegen des Umgangs mit Waffen. Dazu werde es Abstimmungen mit der Waffenbehörde geben. »Wir werden die Veranstaltung weiterhin engmaschig kontrollieren und begleiten und bei Verstößen einschreiten«, teilt die Stadt mit. (Kays Al-Khanak)