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Von »Stimmvieh« bis zum »Gruselzirkus« in der Stadtpolitik

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Domik Erb überreicht Wiebke Knell Gießen-Gin und -Schokolade. © Rüdiger Schäfer

Gießen (rsc). Der Politische Aschermittwoch bezeichnet die traditionell am Tag nach Fasching abgehaltenen Versammlungen von Parteien, auf denen es derbe rhetorische Schlagabtausche setzt. Die bayerische Institution hat es längst bis Gießen geschafft. Nach zweijähriger Corona-Pause hatte die heimische FDP ins Bootshaus geladen, um verbal auszuteilen.

Am Rednerpult besorgte dies der Stadtverbands- und Fraktionsvorsitzende Dominik Erb.

Außer Bundes- und Landespolitik bekam die Koalition im Stadthaus ihr Fett weg. Für Erb »ein Gruselzirkus, bei dem sich die Nackenhaare aufstellen«. Ihre dünne Mehrheit sei geschrumpft. »Ich warte, bis die Eine-Stimmen-Mehrheit auch noch wegfällt.« Die Linke bezeichnete er als »Stimmvieh für die Koalition«. Wenn sie etwas beisteuere, dann sei es nicht mal »lesenswert«. Vom SPD-Fraktionsvorsitzenden höre man lediglich Lobeshymnen auf die Koalition, so Erbs Kritik. Die SPD-Stadträtin befinde sich auf Abschiedstour (sie scheidet im Herbst aus). »Darüber freut sich jeder, mit dem ich darüber gesprochen habe«, sagte der FDPler. Er habe eigentlich gedacht: »Schlimmer kann’s nicht kommen. Doch: Die Stadträtin kann was, will aber nicht. Ihr Nachfolger will was, kann aber nicht.«

Der Oberbürgermeister habe bereits zu Beginn seiner Amtszeit klargemacht, was er tun wolle: »Händeschütteln und in die Pressekameras lächeln.« Er habe sogleich die politische Führung abgegeben. Die Politik machten die beiden Grünen im Magistrat. Wer gedacht habe, der Verkehr in der Stadt könne nicht schlimmer werden: »Doch, die beiden haben es geschafft.« Es sei nicht nur die Verkehrsführung. Auch die Parkgebühren seien ausgeufert. »Mir soll da keiner der Grünen mit sozialer Gerechtigkeit kommen.« Grüne könnten weder Haushalt noch Verkehr. »Das wundert uns nicht.« Verwundert habe ihn, Erb, im letzten Kommunalwahlkampf die vermeintlich paradoxen Aussagen von vielen jungen Leuten: »Die Verkehrslage in Gießen ist so beschissen. Deshalb wählen wir die Grünen.«

Erfreulich sei, dass die CDU beim Thema Parken aus ihrem Winterschlaf erwacht sei. »Jetzt, wo Kritik aus der Bevölkerung kommt, halten sie ihr Fähnchen in den Wind.« Der Bürgermeister habe es geschafft, dass der Finanzhaushalt nicht genehmigt werde. Jedes Jahr werde der Personalstock erweitert. In den letzten sieben Jahren sei die Bevölkerung um fünf Prozent gewachsen, das Personal dagegen um 44,5. »Das ist absolut irre.«

Liberale wollen laut sein

Die nächste Bombe sei schon gezündet. Dies betreffe den Jahresabschluss 2017/18, der vom Revisionsamt nicht freigegeben werde. In der Dimension sei dies so ähnlich wie die Frankfurter AWO-Affäre. Aufträge seien an Gießener Ärzte vergeben worden. Und das ohne rationale Gründe immer an dieselben. »Es stinkt zum Himmel.« Nach seiner kommunalen Dresche versicherte Erb abschließend: »Wir werden nicht müde werden, immer wieder laut zu sein.«

Dass die stellvertretende FDP-Landtagsfraktionsvorsitzende Wiebke Knell eingeladen war, hatte auch den Hintergrund, dass die Nordhessin vier Jahre lang in Gießen Politikwissenschaften studiert hatte. Gin und Schokolade made in Gießen waren das Geschenk für ihr Kommen. 2017 für Nicola Beer in den Landtag gekommen, hatte sie aktuell zwei große Themen mitgebracht. Das eine betraf die Invasion des Wolfes, wobei die Landesregierung versagt habe. Knells zweites Thema betraf das »Grüne Band« an der innerdeutschen Grenze entlang. In Thüringen sei dieses 50 Meter breit. »In Hessen mit 500 Meter Breite völlig übertrieben.«

Den Landtag bezeichnete sie als Rhein-Main-lastig. »Oberhalb vom Limes gibt es viel zu wenig Abgeordnete.«

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