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Von Sammelwut und Wissensdrang

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Von: Dagmar Klein

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BG_AusstTeam_030922_4c © Dagmar Klein

Die Sonderausstellung »Die Klassifizierung der Welt« stellt universitäres Sammeln in den kolonialen Kontext. Im Palmenhaus des Botanischen Gartens zeigt die Universität damit im Kleinen, was derzeit in vielen europäischen Staaten, in großen Museen und Sammlungen, einer Revision unterzogen wird.

Die Universität Gießen hatte eingeladen zur feierlichen Eröffnung der Sonderausstellung »Die Klassifizierung der Welt - universitäres Sammeln im kolonialen Kontext«. Die Eröffnungsreden wurden gehalten im Hörsaal der Hermann-Hoffmann-Akademie, dann führte der Weg über die Senckenberg-Straße in den Botanischen Garten, wo die Ausstellung im neuen Palmenhaus zu sehen ist.

Es begrüßte der Hausherr und Direktor des Botanischen Gartens, Prof. Volker Wissemann, das Grußwort sprach Unipräsident Prof. Joybrato Mukherjee. Die Einführung übernahmen die Professoren Bettina Brockmeyer vom historischen Institut und Magnus Huber vom anglistischen Institut. Alle betonten, dass die Ausstellung ein erster Schritt sei bei der Sichtung und Aufarbeitung der Sammlungsstände unter kolonialen Aspekten. Und dass die JLU damit im Kleinen zeige, was derzeit in vielen europäischen Staaten, in den großen Museen und Sammlungen, einer Revision unterzogen werde.

Von Archäologie bis Orientalistik

Prof. Bettina Brockmeyer verwies in ihrer Rede auf diesen Aspekt und brachte Beispiele. Auch empfahl sie einen Besuch der entsprechenden Ausstellung im benachbarten Alten Schloss, wo Teile der städtischen Sammlungen untersucht wurden. Nach derzeitigem Stand lasse sich sagen, dass bei den universitären Sammlungen das meiste (als Souvenir) erworben und getauscht wurde, es also nicht um Restitution oder Zerschlagung der Sammlungen gehe. Was in der Regel nicht überliefert ist, so Brockmeyer, sind die Geschichten rund um die Herkunft der Objekte und die Personen, die diese vermittelten und von deren Bedeutung erzählten, etwa bei Fetischen. Es gelte einen neuen Blick darauf zu werfen und in langfristiger Perspektive »Wissen zu de-kolonialisieren«.

Prof. Magnus Huber führte aus, dass die Kommission des Landes Hessen, die sich mit dem »Kolonialen Erbe in Hessen« beschäftigt, den Blick auf Bibliotheken und Archive gerichtet hat. Zusammen mit Prof. Katharina Lorenz, Direktorin der klassischen Archäologie, ist er dort Mitglied und sie haben sich überlegt einmal in den eigenen Sammlungen zu schauen. Was sich bei der umfangreichen Antikensammlung sofort erschließt, unter anderem die kaiserliche Schenkung von Funden aus Heinrich Schliemanns Troja-Grabungen, versteht sich bei den Sprach-Instituten nicht von selbst. Hier war früher die Orientalistik federführend, die zunächst als Hilfswissenschaft der Theologie, im späten 19. Jahrhundert als eigenständiges Fach forschte und lehrte. Das Sammeln, die »Sammelwut« füllte nicht nur Kisten, Schränke und Gebäude, sondern auch Blattseiten, Bücher und Regale. In der historischen Literatur lässt sich so einiges finden, was damalige Denk- und Argumentationsstrukturen aufzeigt.

Pflanzen und Samen aus Ceylon

Beim anschließenden Umtrunk im Palmenhaus wurde die Möglichkeit mit den Kuratoren ins Gespräch zu kommen eifrig genutzt. Im Schwerpunkt handelt es sich um Text-Bild-Tafeln, für die es etwas Zeit zum Lesen braucht. Objekt-Vitrinen gibt es nur zwei, vorwiegend mit Faksimiles und 3-D-Repliken. Wegen den klimatischen Bedingungen und Sicherungsaspekten, erklärt die Kustodin der Antikensammlung Dr. Michaela Stark. Sie hat dafür gesorgt, dass die Originale im Alten Schloss zu sehen sind, wo die Antikensammlung mehrere Vitrinen bestückt hat.

Das dritte Sektion ist die Botanik, für deren Erkundung Menschen unter schwierigen Bedingungen um die Welt reisten. Sie brachten Pflanzen und Samen mit, getrocknete Blätter und Blüten, die daheim klassifiziert wurden. Für den Botanischen Garten war damals Prof. Adolf Hansen zuständig, der selbst auf Reisen ging, zusammen mit Garteninspektor Friedrich Rehnelt. In ihrer Zeit wurde das Palmenhaus errichtet, das eine Attraktion für Besucher von nah und fern war, dort zeigten sie eine Ausstellung über ihre Reise nach Ceylon. Das heutige Gebäude sei eine Neuinterpretation der alten Formen, insofern stehe es symbolisch für den Umgang der Forschenden mit den universitären Sammlungen, so das Fazit der Arbeitsgruppe. Auch bei den Sammlungen gelte es, einen neuen Zugang zu gewinnen.

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BG_kolonial_AntikenSlg_0_4c © Dagmar Klein
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BG_kolonial_Botanik_Pfla_4c © Dagmar Klein

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