Von internationalem Format

Das Chagall-Quartett bereitet dem Publikum beim Winterkonzert großes Vergnügen. Für den herzlichen Beifall zum Schluss bedanken sich die Musiker mit einer nordisch-frischen Zugabe.
Unter den Ensembles, die der Meisterkonzertverein zu den Winterkonzerten einlädt, zählt das vor 21 Jahren an der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler gegründete Chagall-Quartett zu den glanzvollsten. Das Streichquartett vermochte die zahlreichen Besucher am Sonntag im Levi-Saal, wie schon bei zwei früheren Auftritten, restlos zu begeistern. Dabei sorgte das ungewöhnliche Programm für ein bereicherndes Erlebnis.
Stefan Hempel (1. Violine), Holger Wangerin (2. Violine), Max Schmiz (Viola) und Jan Ickert (Cello) hatten mit vier Stücken aus Johann Sebastian Bachs »Kunst der Fuge« einen originellen Einstieg gewählt und bewiesen, dass das Werk auf einem Streichensemble mit der Klangcharakteristik und räumlichen Auffächerung der Instrumente mindestens so stark zu faszinieren vermag wie auf Cembalo oder Klavier. Andächtig-ruhig strömte die Musik im »Contrapunctus 1« dahin. Dank plastischer Gestaltung des Stimmengeflechts und profilierter Themeneinsätze konnte man sich der kompositorischen Eleganz kaum entziehen. Rascher gehalten war der »Contrapunctus 4«, bei dem das Ensemble die Akzente so stark wie eben nötig setzte und wieder ein ausgewogenes Bild hinterließ. Eine weitere Bewegungsverdichtung markierte Nr. 9. Bei aller Virtuosität behielten die Musiker stets ihre detailverliebte Spielweise bei. In Nr. 11 schloss sich der Kreis, sie führte zur anfänglichen Ruhe zurück.
»Kreutzersonate« als Glanzlicht
Fesselte bei Bach die kontrapunktische Satztechnik, so war es bei Leos Janáceks erstem Streichquartett das Gefühlspanorama. Inspiriert durch Lew Tolstois Novelle »Die Kreutzersonate«, beleuchtet der tschechische Komponist das tragische Schicksal der Frauengestalt, einer aus Eifersucht ermordeten vermeintlichen Ehebrecherin. In der Musik zeichnet er weniger äußere Konflikte nach, konzentriert sich vielmehr auf psychische Empfindungen - von seelischer Anspannung bis zum Freiheitsgefühl. In den vier Sätzen bereitete das Ensemble ein enormes Spektrum aus zwischen klanglich fahlen Abschnitten und hartnäckigen Höhepunkten.
Zum entspannten Zurücklehnen
Nach all den aufwühlenden Momenten lud Franz Schuberts »Streichquartett a-Moll D 804« zum entspannten Zurücklehnen ein. Dramatische Ausbrüche gab es zwar auch hier, nun aber eingebettet in einen harmonisch-geordneten Rahmen.
Die Interpretation schien bis in kleinste motivisch-thematische Verästelungen ausgefeilt. Dabei gerieten die Übergänge so raffiniert, dass formale Zusammenhänge stets durchhörbar blieben. Dies galt für den Allegro-Kopfsatz ebenso wie für das Andante mit der unschuldig-naiven Weise, die zu abgründigen Wendungen führte. Seine internationale Klasse untermauerte das Ensemble beim Menuett sowie dem Allegro-Finale und machte deutlich, dass solche hochrangigen Live-Darbietungen unersetzlich sind.
Das i-Tüpfelchen bildete die profunde Moderation des Violinisten Holger Wangerin. Für den Beifall dankte das Chagall-Quartett mit einer nordisch-frischen Zugabe: »Shine you no more«, basierend auf der Harmoniefolge von John Dowlands »Flow my Tears«.