Von allerlei Getier und vielen Schichten

Das Galerie23-Team um Andrea Lührig, Wally Hund und Felix Lachmann führt in der neuen Ausstellung »Druckfrisch #9« alte und neue Gesichter zusammen. Und es zeigt wieder einmal, wie unterschiedlich Druckgrafik sein kann.
Die Druckfrisch-Ausstellungen der Galerie23 sind immer wieder eine wahre Fundgrube und zeigen, wie vielfältig Druckgrafik sein kann. Traditionell zum Abschluss eines Ausstellungsjahres sind nun wieder Werke von Künstlern aus dem Atelier der Lebenshilfe und von überregionalen Gästen im Gewölbekeller des Seltersweg 55 ausgestellt. Am Freitag war die gut besuchte Vernissage - in Anwesenheit der meisten Künstler.
Schon seit mehr als elf Jahren ist Lena Kasperski Teil der Ateliergemeinschaft der Lebenshilfe Gießen und bekannt für ihre einprägsamen Linoldrucke. Eine »Druckfrisch«-Ausstellung ohne sie ist schwer vorstellbar. Hatte sie sich in der letztjährigen Ausgabe noch die Darstellung von Ausstellungssituationen an sich vorgenommen, widmet sie sich in der aktuellen Schau den Gesichtern von Tieren: Orang-Utan, Gorilla, Elefant und Nashorn.
Nina Joanna Bergold aus Ludwigsburg präsentiert ebenfalls eine Serie an Linolschnitten. Flächen und sich kreuzende Linien bilden bei ihr figurative wie gegenständliche Motive, Wesen halb Mensch, halb Maschine. Zudem präsentiert die Künstlerin installative Folienschnitte, die ausgehend von der Technik des Linolschnitts, neben den Bildern hängen und wunderbare Namen tragen: »Kleine Tastende«, »Kleine Kunstkriterikin«, »Kleine Teufelin«…
Auch wenn die seit Jahren immer wieder in der Galerie23 ausstellende Künstlerin Jette Flügge in Iserlohn, Hagen und Dortmund lebt und arbeitet, also Städten, die man eher mit Industrie denn üppiger Natur verbindet, widmet sie sich in ihren Arbeiten der Flora und Fauna. Im Fokus ihrer Radierungen in pastosen Farben stehen Insekten und Pflanzen. Flügge spielt dabei mit bewussten Wiederholungen der Motive. Sie leitet seit 2017 die Druckwerkstatt des Seminars für Kunst und Kunstwissenschaft an der Technischen Universität Dortmund und tat dies auch 2016/2017 am Institut für Kunstpädagogik der JLU Gießen.
Zu den in Gießen bestens bekannten Künstlern gehört auch Philipp Hennevogl aus Berlin, der 2013 eine Gastprofessur an der JLU übernommen hatte und bereits mehrfach hier ausgestellt hat. Er nimmt eigens aufgenommene Fotografien als Grundlage seiner Linolschnitte und verwendet für manche seiner Linoldrucke bis zu zehn verschiedene Linolplatten. Seine Motive in der aktuellen Schau zeigen Pflanzen wie »Aronstab« oder verblühende Lilien, teils in das Auge verwirrender Vielschichtigkeit.
Das zentrale Thema in den vergleichsweise großformatigen Kaltnadelradierungen von Klaus Schlosser aus Stadtallendorf ist der Mensch. In seinen Arbeiten erkennt man groteske, aber irgendwie auch wiedererkennbare Gestalten, deren Umrisse sich teils überlappen und die an der Kopfwand der Galerie gehängt die Blicke förmlich anziehen.
Die Zweidimensionalität der Ausstellung bricht Bildhauerin Hannah Schmider aus Offenbach mit ihren Holzskulpturen. Die kleinen, auf Sockeln stehenden Figuren aus Lindenholz kommen ohne viel Farbe aus, beeindrucken durch ihren natürlichen Ausdruck. Sie alle haben ein Tier wie Waschbär, Taube oder Schwein umschlungen oder balancieren es auf dem Kopf. Fein und roh zugleich sind sie ein echter Hingucker.
Zusätzlich wird im zweiten Gewölbekeller der Galerie23 dauerhaft Kunsthandwerk von (über-)regionalen Künstlerinnen und Künstlern präsentiert: Holzreliefs, moderne Mobiles, handbemalte Keramiken, Holzschnitzereien und Zeichnungen.

