Virtuelles Geschichtenerzählen

Das Oberhessische Museum wird Partner im Verbund von »museum4punkt0«, einem bundesweiten Projekt zur Förderung digitaler Innovationen. Im Rahmen des Teilprojekts »imp - immersiv partizipieren. Virtuelles Storytelling im Museumsraum« kann das Museum sein Stadt- modell digital erweitern.
Der Muff der Achtzigerjahre - er wird mit Volldampf aus dem Oberhessischen Museum gepustet. Die Sanierung der beiden Museumshäuser am Kirchenplatz und die Neukonzeption der Dauerausstellung sorgen dafür, dass das Museum immer mehr zu einem zeitgemäßen Stadtmuseum wird. Nun gehen Dr. Katharina Weick-Joch und ihr Team einen weiteren Schritt auf diesem Weg, wie beim Pressetermin gemeinsam mit Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher berichtet wurde. Die Museumsleiterin musste sich dabei kurzfristig vertreten lassen von Dr. Julia Schopferer, Linn Mertgen, Amalka Hermann und Mario Alves.
Digital begehbare Gebäude
Das Museum erhält für ein Teilprojekt im Verbund »museum4punkt0« eine Fördersumme »in deutlich sechsstelliger Höhe«, berichtete Becher. Dieser Verbund vernetzt Kultureinrichtungen aus ganz Deutschland - vom Haus der Geschichte in Bonn bis zum Humboldtforum in Berlin. Über Institutionsgrenzen hinweg und disziplinübergreifend werden digitale Angebote für neue Arten des Lernens, Erlebens und Partizipierens im Museum entwickelt. Dass das Oberhessische Museum, auf Vorschlag des Museumsverbandes, als erstes Museum in kommunaler Trägerschaft in diese Liga aufgenommen wurde, sei also »schon eine ziemliche Sensation«, so Becher. Das Museum wurde im Dezember angefragt und kann nun bis Ende des Jahres das Stadtmodell, das die Gießener Innenstadt vor der Zerstörung durch 1944 zeigt und 1969 von Ernst und Volker Dräbing gebaut wurde, in die Moderne transferieren. Das Modell soll ohnehin in der neuen Dauerausstellung den Startpunkt für Rundgänge durch das Museum bilden. Dank »museum4punkt0« und des Teilprojekts »imp - immersiv partizipieren. Virtuelles Storytelling im Museumsraum« kann das Stadtmodell nun durch innovative, digitale Ergänzungen erweitert werden - und damit Prototyp für andere Stadtmuseen sein.
Angedacht sind ergänzende Straßenzüge und Gebäude (etwa das Stadttheater und die einstige Synagoge am Berliner Platz), digital begehbare Gebäude oder Projektionen, die historische Ereignisse vermitteln - einsehbar auf fest installierten Tablets oder Smartphones. Diese könnten die Modelle zum Leben erwecken und einen niedrigschwelligen Einstieg in die Stadtgeschichte möglich machen.
Was genau zu erleben sein soll, wird vom Museumsteam bis Ende des Jahres entwickelt - unterstützt vom für die Dauerausstellung beauftragten Gestaltungsbüro Neue Medien. Historische Aufnahmen werden gesucht, Minikameraflüge ausprobiert, eine Museums-App ist angedacht - es wartet viel Arbeit auf das Team. Diese soll bewusst transparent gemacht und auf dem Instagram-Account des Museums mitverfolgt werden können.
Aktuell restaurieren Swen Richert und Werner Schmidt das bei den Besuchern seit Jahren beliebte Stadtmodell. Dieses wird bei der Ausstellung »Zeitenwandel. Geschichten um das Leib’sche und das Wallenfels’sche Haus« ab 15. Mai zwar mal wieder zu sehen sein. Aber die analogen Erweiterungen werden dann nur angedeutet, die digitalen noch komplett Zukunftsmusik sein.
Es gilt, noch zahlreiche Ideen zu testen. So besitzt das Museum beispielsweise ein Modell des alten Gießener Fachwerk-Rathauses. Hier könnten Besucher mithilfe von Augmented Reality das Dach virtuell anheben und hineinschauen. Außerdem ist ein Audio-Walk geplant, der die mit Audio-Geräten ausgestatteten Besucher in Gießens Stadtgeschichte eintauchen lässt. Die Bewegungen der Besucher würden dabei unterschiedliche digitale Vermittlungselemente auslösen: man lässt sich in Rollen hineinversetzen, bekommt Geschichten emotional erzählt und gerät ins Staunen - eben »virtuelles Storytelling im Museum«.