Viele Haltestellen nicht barrierefrei

Über 330 Bushaltestellen gibt es im Stadtgebiet. Mehr als die Hälfte sind nicht behindertengerecht. Ihr einigermaßen barrierefreier Umbau ist ein Langzeitprojekt. In diesem und dem nächsten Jahr will die Stadt zwölf Haltestellen umbauen. Vorgaben wie zur Bordsteinhöhe bereiten Umsetzungsprobleme.
Seit dieser Woche fahren die Stadtbusse wie gewohnt wieder die Haltestelle vor der Kongresshalle an. Über 300 000 Euro hat der barrierefrei Umbau gekostet. Glücklicherweise ist der Umbau einer Bushaltestelle nicht überall so aufwendig und langwierig wie bei dieser Sonderanfertigung am Berliner Platz. Trotzdem ist der Aufwand, im Nahverkehr behindertengerechte Verhältnisse für die vielen Nutzer von Bussen und Bahnen zu schaffen, insgesamt groß. Das hat der neue Bürgermeister Alexander Wright soeben in einer Präsentation vor den Mitgliedern des Verkehrsausschusses gezeigt. Von den 332 Haltepunkten im Stadtgebiet erfüllen laut der vorgelegten Bestandsaufnahme 176 nicht die Mindestanforderung an eine behindertenfreundliche Ein- und Ausstiegshöhe.
Die Tücken des Hochbords
Die Standards haben sich in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Worte erhöht. Galt laut Wright bis vor etwa fünf Jahren eine Bordhöhe von 18 Zentimetern als ausreichend, soll der Unterschied zwischen Bordsteinkante und Bus jetzt eigentlich nicht mehr als fünf Zentimeter und einen »Restspalt« betragen. Erfüllt werden kann diese Anforderung nur durch eine Bordhöhe von 22 Zentimetern oder ersatzweise durch den Einsatz einer Klapprampe im Bus.
Da das Land kurzfristig nicht auf einer Anhebung der mit 18-Zentimeter-Borden ausgestatteten Haltestellen besteht, wird sich das Tiefbauamt bei seinem Umbauprogramm zunächst auf alle Haltepunkte konzentrieren, die keine der beiden Einstiegshöhen aufweisen. Das sind dann besagte fast 180.
Die Planung von Haltestellen mit Bordsteinen mit mehr als 20 Zentimeter Höhe hat ohnehin ihre Tücken, wie die Präsentation des Tiefbauamts zeigte. Die Busse müssen derartig umgebaute Haltestellen möglichst gerade anfahren können, sonst setzt das Fahrzeug auf. Die Bordsteinhöhe erschwere zudem die Anpassung an die Umgebung. Im Ergebnis könne dies zur Aufgabe oder einer beträchtlichen Verlängerung von Busbuchten führen. Planungsaufwand und Kosten seien jedenfalls »hoch«.
Der von von dem Grünen-Politiker Wright vorgestellte Projektplan sieht ein Dutzend Baumaßnahmen in diesem und dem nächsten Jahr vor. 2022 sollen Haltestellen in der Max-Reger-Straße (beide Richtungen), die in der Nordanlage Fahrtrichtung Westanlage, in der Wetzlarer Straße stadtauswärts, an der Haltestelle »Klingelbachweg« stadteinwärts sowie am neuen Feuerwehrstützpunkt im früheren US-Depot auf beiden Seiten der Straße Stolzenmorgen errichetet werden. Der Umbau der Haltestelle »Tulpenweg/Rodtbergstraße« (Richtung Reichenberger Straße) ist soeben vom Tiefbauamt ausgeschrieben worden und soll im Sommer ausgeführt werden.
2023 schließen sich dann Haltestellen in der Richard-Wagner-Straße (beide Richtungen), der Feuerbachstraße (stadtauswärts), am Uni-Hauptgebäude in der Ludwigstraße (beide Richtungen) in der Paul-Meimberg-Straße, ein Neubau im Lützellindener Gewerbegebiet Rechtenbacher Hohl (Vogelsang) und in der Kleinlindener Waldweide an.
Im Zuge dieser Maßnahmen werden wohl auch bislang wetteranfällige Haltepunkte mit Wartehallen versehen. Im Moment verfügen laut Bestandsermittlung knapp die Hälfte der über 330 Haltepunkte über einen Wetterschutz. Diesbezüglich nennt der Verkehrsdezernent elf Standorte, die bis Ende kommenden Jahres Wartehallen erhalten sollen.
Verkehrsversuch nimmt Einfluss
Ausgelöst worden war Wrights Bericht durch einen Antrag der Fraktion Gigg/Volt, die die Ausrüstung von 13 Haltestellen mit mehr als 100 Einstiegen am Tag mit Wartehallen bis 2024 gefordert hatte. Als Haltestellen, an denen es täglich über 400 Einstiege, aber keinen Wetterschutz gibt, nannte Gigg/Volt den Sandkauter Weg, den Albert-Osswald-Platz in Wieseck und die Klinikstraße.
Bei der Nennung einiger Planungsvoraussetzungen verwies Wright auch auf den Verkehrsversuch auf dem Anlagenring. Dauerhafte Schlussfolgerungen, die sich aus der versuchsweisen Verkehrsführung mit separaten Rad- und Busspuren ergeben könnten, beeinflussten womöglich die Lage der Haltestellen.
Barrierefreiheit bedeutet an einer Bushaltestelle aber mehr als nur ein stufenfreier Ein- und Ausstieg. Auch die Zuwegung sollte behindertengerecht sein, Blindenleitwege, lesbare Aushänge und Sitzbänke gehörten ebenso dazu.