Viel Lärm um nichts?

Gießen (mö). Es war ein bislang einmaliger und aufsehenerregender Vorgang, als im Frühjahr 2021 kurz nach der Kommunalwahl bekannt wurde, dass das Revisionsamt der Stadt den Stadthaushalten 2017 und 2018 die Zustimmung eingeschränkt bzw. gar nicht erteilt hatte. Dies sorgte in der Folge für scharfe Debatten im Hauptausschuss des neuen Stadtparlaments und schließlich im Mai vergangenen Jahres - auf Antrag der Freien Wähler - zur Einsetzung eines Sonderausschusses.
Der hat am Montagabend nach acht Sitzungen und viel Aktenstudium seine Arbeit mit der Abgabe des Abschlussberichts durch die Berichterstatterin Vera Strobel, die auch Vorsitzende der Grünen-Fraktion ist, abgeschlossen. Ihrer Feststellung, dass dem Ausschuss vom Magistrat »alle notwendigen Unterlagen« zur Verfügung gestellt wurden, schloss sich das Gremium einstimmig an.
Was die politischen Bewertungen betrifft, liegt bislang nur eine Stellungnahme der Koalitionsfraktionen Grüne, SPD und Linke vor. Sie sehen die Kernvorwürfe an den Magistrat als entkräftet an und äußern Unverständnis darüber, dass das Revisionsamt dem Haushaltsabschluss für 2018 das Testat verweigert hatte. Weder sei erkennbar, dass in den Jahresabschlüssen nicht die tatsächliche Haushalts- und Finanzlage abgebildet worden sei, noch sei der Stadt ein Vermögensschaden entstanden. Auf berechtigte Kritik des Revisionsamts habe der Magistrat mit der Ankündigung von Nachbesserungen reagiert und habe die von den Revisoren aufgezeigten Abweichungen erklären können.
Vor allem im 2018er Bericht der Innenrevisoren, die die Haushaltsführung des Magistrats kontrollieren, hatte es Kritik an der Buchführung im Jugendamt gehagelt, und zwar im Zusammenhang mit der Abrechnung der gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen, die der Staat für minderjährige Flüchtlinge aufbringen muss, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind. In Gießen wird diese Betreuung in Wohngruppen vom Caritasverband geleistet, der der Stadt seinen Aufwand in Rechnung stellt. Der Prüfbericht gipfelte in der Feststellung, dass der Abschluss für das positiv verlaufene Haushaltsjahr 2018, das mit einem Überschuss in Höhe von fast 30 Millionen Euro abschloss, »kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes, hinreichend sicheres Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Universitätsstadt vermittelt«.
Folgt man den Koalitionsfraktionen, war die folgende Debatte viel Lärm um nichts. Auch der öffentlich und gerüchteweise erhobene Vorwurf, es sei bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen durch heimische Mediziner, die die jungen Flüchtlinge versorgten, zu Bevorzugungen »bestimmter Ärzte« und überhöhten Rechnungen gekommen, seien »in sich zusammengefallen«.
Wie das die Opposition sieht, wird die Stadtverordnetensitzung in der kommenden Woche zeigen. Gigg/Volt-Fraktionschef Lutz Hiestermann kündigte an: »Es wird Stellungnahmen geben.«
Das Parlament hatte dem Magistrat für die Jahresabschlüsse mit der Mehrheit der Koalition Entlastung erteilt.