Verkehrsversuch in Gießen soll bis Herbst 2024 dauern
Ende Juni sollen die Vorarbeiten für den Verkehrsversuch in Gießen beginnen. Offiziell beginnen wird dieser aber erst nach kompletter Umgestaltung.
Gießen - Die Informationskampagne der Stadt Gießen läuft, Ende Juni soll es an der Ostanlage mit der Einrichtung des Verkehrsversuchs losgehen. Offiziell wird der Versuch aber erst starten, wenn voraussichtlich Ende September die Verkehrsführung mit der Fahrradstraße auf den Innenbahnen und der Einbahnstraße für den Kraftfahrzeugverkehr auf den Außenbahnen auf ganzer Länge des Anlagenrings umgesetzt ist. Dies hat Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) auf Anfrage bestätigt.
Der offizielle Starttermin ist keineswegs nur eine Formalie, sondern hat eine Folge für die weiteren Zeitabläufe. Da der Versuch eine einjährige Laufzeit hat, wird er also bis Ende September 2024 laufen, falls es nicht zu einem vorzeitigen Abbruch kommt. Weiter teilt Wright mit, dass die Stadt gemäß einer Vorgabe des Hessischen Verkehrsministeriums den Verkehrsversuch noch vor Beginn der Arbeiten in der Ostanlage bei der Oberen Verkehrsbehörde des Gießener Regierungspräsidiums anzeigen wird. »Das passiert noch im Mai«, sagte Wright.

Hintergrund: Vorab besteht in Hessen für Verkehrsversuche wie dem in Gießen keine Genehmigungspflicht. Sollte die Stadt nach Beendigung und Auswertung des Experiments aber an der Verkehrsführung festhalten wollen, braucht sie dafür die Zustimmung des RP. Dies hatte Wright in der Anwohnerversammlung zum Bauabschnitt Ostanlage vergangene Woche mitgeteilt. »Dann müssen wir nachweisen, dass es funktioniert hat«, erklärte der Grünen-Politiker, der eine »transparente Auswertung« versprach. Mit der will die Stadt externe Experten beauftragen.
Bei Problemen während Verkehrsversuch in Gießen: Nachsteuern statt abbrechen
In den Anwohnerversammlungen war der Verkehrsdezernent mehrfach nach den Erfolgs- und Abbruchkriterien gefragt worden. Den Antworten war zu entnehmen, dass die Stadt bei Problemen zum Beispiel mit dem Verkehrsfluss oder der Sicherheit für den Verkehr auf der Fahrradstraße nachsteuern wird, statt abzubrechen. »Wenn es in der Marburger Straße mal einen Rückstau bis zum Lidl gibt, weil es am Kennedy-Platz klemmt, hören wir nicht gleich auf, sondern schauen uns an, was sich verbessern lässt«, erläuterte Wright. An der gutachterlichen Prognose, wonach der Verkehr am Anlagenring keineswegs nur noch in Stop-and-Go-Geschwindigkeit fließt, werde sich die Stadt gleichwohl »messen lasssen«, betonte Wright.
Grundlage für eine Evaluation des Verkehrsversuchs werden unter anderem kreuzungsgenaue Zählungen des Verkehrs sein, die bereits erfolgt sind. Diese Zahlen werden dann mit der Situation während des Versuchs abgeglichen. Auch für die Belegung der Parkhäuser oder die Fußgängerfrequenzen im Seltersweg können Daten dank Echtzeitzählung gesammelt und verglichen werden.
Verkehrsversuch in Gießen: Radverkehr soll gezählt werden
Gezählt werden soll auch der Radverkehr auf der Fahrradstraße. Für die gilt laut Wright das Prinzip »Sicherheit geht vor Leichtigkeit«. Damit wolle man mehr Menschen animieren, aufs Rad umzusteigen. Die Zielgruppe sind also weniger die furchtlosen Radfahrer, die sich schon jetzt durch den Gießener Stadtverkehr schlagen, sondern diejenigen Radfahrer, die sich bislang in diesen Verkehr nicht trauen. Das könnten zum Beispiel Senioren mit E-Bikes oder Eltern mit kleineren Kindern sein.
Verkehrsversuch in Gießen kompakt
Fahrradstraße: Auf der Fahrradstraße im Zweirichtungsverkehr auf den inneren Spuren gilt Tempo 30 für Radfahrer, Bus und Pkw-Anliegerverkehr. Radfahrer dürfen nebeneinander fahren, auch wenn sie dann nicht überholt werden können. Können sie überholt werden, ist von Autos ein Abstand von 1,5 Meter einzuhalten. Auch für Radfahrer gilt Rechtsfahrgebot. Beide Fahrtrichtungen werden markiert.
Pkw-Fahrspuren: Als Einbahnstraße gegen den Uhrzeigersinn auf den beiden Außenbahnen. Radfahrer dürfen die beiden Pkw-Spuren mitbenutzen. Es gilt Tempo 50.
Busverkehr: Fährt weiterhin auf beiden Seiten des Anlagenrings und kann Haltestellen wie gewohnt anfahren.
Einbahnstraßen: Es werden Einbahnstraßen innerhalb des Anlagenrings umgedreht: Schanzenstraße (künftig Einfahrt von der Westanlage), Senckenbergstraße (Einfahrt von der Ostanlage), Neustadt (Einfahrt vom Oswaldsgarten). Die Braugasse wird in beide Fahrtrichtungen befahrbar sein. Die Landgrafenstraße wird zur Sackgasse und von der Ostanlage abgehängt.
Zeitplan: Abschnittsweiser Umbau ab Juni. Start mit Ostanlage, es folgen bis Ende September Nord-, West- und Südanlage.
Das diesbezügliche Mengenziel wirkt bescheiden. Ausgehend von der klimapolitisch gesetzten Zielmarke, den Radverkehrsanteil stadtweit bis zum Jahr 2035, wenn Gießen zu einer CO2-freien Stadt geworden sein soll, zu verdoppeln, hat Wright eine siebenprozentige Zunahme pro Jahr ausgerechnet. Dazu soll die Fahrradstraße am Anlagenring ihren Beitrag leisten. Wright warb dafür auch bei denjenigen, die weiter mit dem Auto in die räumlich begrenzte Stadt fahren werden: »Wer Rad fährt, macht Platz für andere Verkehrsteilnehmer.«
Mit einer Veranstaltung in der Ricarda-Huch-Schule für die Anwohner von Nord- und der Westanlage bis zur Gabelsberger Straße war am Freitagabend (5. Mai) die Serie von Anwohnerversammlungen zuende gegangen. Geplant ist jetzt noch eine Veranstaltung für die Allgemeinheit (Bericht folgt).