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Vater der analytischen Chemie

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Von: Dagmar Klein

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Leo Gros spricht unterhaltsam über Fresenius. © Dagmar Klein

Gießen (dkl) Der erste Vortrag im Rahmen der Ausstellung »Made in Hessen - Globale Industriegeschichten« fand bereits zwei Tage nach der Eröffnung statt. Von der Hochschule Fresenius in Wiesbaden war Prof. Leo Gros gekommen, der dort seit vielen Jahren Chemie lehrt und aktuell mit dem Aufbau des Archivs befasst ist, wie Museumsleiterin Dr. Katharina Weick-Joch zu seiner Einführung sagte.

Ein unterhaltsamer Vortrag war versprochen, und so war es. Der Vortragende redete frei, in großen Teilen rheinhessisch, halt so »wie die Leut schwätze«. Wenn Schulunterricht immer so verständlich wäre wie sein Vortrag, könnten sich vermutlich mehr Menschen für das Fach Chemie begeistern. Auch Weick-Joch sagte am Ende des Vortrags, dass es die Erklärungen von Gros waren, die sie ermutigt hätten, als Kunsthistorikerin im Ausstellungskatalog zu »Made in Hessen« einen Text zu Liebig zu schreiben. »Es ist so viel hängen geblieben aus den Gesprächen.«

Wer war Carl Remigius, genannt Remi, Fresenius? Der junge Mann (geb. 1818) war ehrgeizig, kam nach einer Apothekerlehre und Kurzbesuch der Uni Bonn auf Empfehlung im April 1841 zum Studium bei Liebig. Dort stieg er schnell in die Lehre ein, wurde zum Wintersemester Liebigs Assistent und sorgte für eine bessere Labororganisation. 1842 erlangte er den Doktortitel, ein Jahr später den Professorentitel. Das ging damals schneller und einfacher als heute. Weil zwei bayerische Universitäten seine Bewerbung ablehnten, da er evangelisch war, bewarb er sich 1845 auf eine Professur an der Nassauischen Landwirtschaftsschule bei Wiesbaden.

Drei Jahre später gründete er sein eigenes Labor mit fünf Studenten. Daraus erwuchs das Fresenius-Institut, in dem Analyseverfahren entwickelt wurden. Am bekanntesten sind die zu Mineralwässern. Immer waren die entscheidenden Fragen »Was ist drin? Wie viel ist drin?«. In seinem Labor wurden Methoden zum Erkennen von Materialfälschungen entwickelt, zur Haltbarkeit von Dachschiefer, zum Nachweis von Vergiftungsfällen (Forensik), zur Weinanalyse. Er gründete eine Zeitschrift und eine Hochschule, beides existiert bis heute, begann mit der Ausbildung von Nahrungsmittelchemikern. Seine Bücher erschienen in mehreren Auflagen und wurden in viele Sprachen übersetzt.

Auf Spurensuche in der Stadt

Es hätte passieren können, dass Fresenius nach England geht und dort ein Laboratorium nach Art von Liebig aufbaut, berichtete der Referent. Doch sein Kollege August Hofmann war es, der die Aufgabe übernahm, sodass Fresenius und Heinrich Will in Deutschland blieben. Das bekannte Foto mit den fünf jungen Männern in modischer Kleidung samt Zylinder bezeichnete der Referent als »Casting-Foto der damaligen Zeit«. Die beiden Engländer Bullock und Gardener waren nach Deutschland gekommen, um jemanden für den Aufbau des Labors zu finden, konnten sich zwischen Fresenius, Will und Hofmann aber nicht entscheiden. Es folgte eine Art briefliches Losverfahren.

Der Vortragende hatte den Tag in Gießen genutzt, Spuren von Fresenius zu finden, was recht schwierig ist, da die Gebäude des 19. Jahrhundert in der Innenstadt kaum noch existieren. Gewohnt habe er im Seltersweg, und in der Schulstraße war die Wohnung von Prof. Karl Rumpf, dessen Tochter Charlotte er heiratete. Zahlreiche Brief von Fresenius an seinen Vater sind erhalten, aus denen Gros viele Anekdoten schöpfte. Von einem fröhlichen Tanzabend bei Liebig berichtet sogar eine Frankfurter Zeitung. Ort des Vergnügens dürfte sein neues Wohnhaus (ab 1844) an der Frankfurter Straße 12 gewesen sein; das ebenfalls nicht mehr existiert.

Das Labor Fresenius entwickelte sich ab 1878 zum SGS-Institut Fresenius (Société Générale de Surveillance Holding GmbH) in Taunusstein. Der Wiesbadener Ehrenbürger Carl Remigius Fresenius starb 1897, er ist auf dem dortigen Alten Friedhof begraben. Sein Name bleibt weltweit in Erinnerung. Die Liste seiner berühmten Schüler ist lang.

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