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Variations-Spiel mit »Bauklötzen«

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Von: Dagmar Klein

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Christoph Kern vor der Wand mit seinen Zeichnungen. © Dagmar Klein

Der Neue Kunstverein Gießen zeigt bis zum 15. April Zeichnungen von Christoph Kern. Heute Abend ist Vernissage im Kunstkiosk.

Heute Abend wird die neue Ausstellung »Metamorph« beim Kunstverein Gießen eröffnet. Eingeladen wurde der Berliner Maler Christoph Kern, der 2016 erste Lehraufträge am JLU-Institut für Kunstpädagogik hatte, dann zwei Jahre die Vertretungsprofessur für Malerei übernahm. Aktuell ist er wieder in Gießen für ein Blockseminar. Seine einstige Assistentin Pia Pregizer, Mitglied im NKV-Vorstand, hat ihn um eine Ausstellung angefragt. Aufgrund des kleinen NKV-Ausstellungraumes hat sich Kern für kleinformatige Zeichnungen entschieden.

»Es ist beinahe ein Gang durch mein künstlerisches Arbeiten seit den 90er Jahren«, sinniert Christoph Kern, der 1960 in München geboren wurde, aufwuchs und sein Studium absolvierte. Doch will er nur die allerneuesten Arbeiten benennen, da es keine lineare Entwicklung gebe. Er arbeite von Anfang an zu einem einzigen Objekt, dem Kubus. »Eigentlich spiele ich immer noch mit Bauklötzen«, schmunzelt er. Dass er diesem einen Motiv über 30 Jahre lang in unendlich vielen Variationen nachspüren würde, das habe er am Anfang nicht geahnt. Alle Zeichnungsblätter an der Wand zeigen Würfel in Bewegung und räumlicher Verortbarkeit. Er nutzt alle Möglichkeiten der Zeichnung von Bleistift und Kohle, über Rötel und Feder bis zum Aquarell. Dann setzt er noch einen drauf: »Alle meine Zeichnungen und Gemälde basieren auf bewegten Zeichnungen, die ich vorher am PC gemacht habe.« Ungläubiges Staunen.

Wie zur Erläuterung hängt in der Wandnische ein Bildschirm, auf dem mehrere Zeichnungsfolgen ablaufen, diesmal chronologisch von ersten schwarz-weißen Würfeln, die umeinander purzeln, über farbige Landschaftsformationen mit sich sanft bewegenden Luft-Würfeln bis zu kompliziert verschachtelten Linearstrukturen, die sich ständig bewegen und gegenseitig durchdringen. Jede Choreografie, so nennt er die Arbeiten, ist von einer eigenständigen musikalischen Komposition unterlegt. Einiges davon hat er auch mit dem jeweiligen Musiker in Live-Performances aufgeführt.

Zeichnungen nach Screen-Shot

Manche Zeichnungen entstehen nach einem stillstehenden Screen-Bild, doch für seine großformatigen Gemälde lässt er die Filme ablaufen und malt sie atmosphärisch. So entstehen Serien. PC-Arbeiten und Gemälde zeigt er nie nebeneinander, aber er erzählt bereitwillig vom Entstehungsprozess. Wie kam er zu diesem ungewöhnlichen Weg? »Ich bin 1989 nach Berlin gezogen und in einer Atelier-Gemeinschaft gelandet. Einer war ein ITler, der uns alle eingeführt hat in die digitale Welt. Ich war fasziniert von den Möglichkeiten, es hat mich seither nicht mehr losgelassen. Und die entsprechenden Computerprogramme wurden stetig verbessert, daher gibt es heute noch andere Möglichkeiten als in den 90er Jahren.«

Er wurde in dieser künstlerischen Zugriffsweise, die in Deutschland völlig unüblich war, bestätigt durch ein einjähriges Stipendiatsjahr in den USA. Auch seine erste Gastprofessur 1999 an der Universität Paderborn galt diesem Thema. Und dennoch ist er leidenschaftlicher Maler geblieben, einer der sich in Maltechniken auskennt, der die Ahnen seines Fachs studiert und analysiert hat. Das reicht von visuellen Impressionen bei Monet bis zu Raumstrukturen bei Rubens. Auch in Gießen waren Zeichnungen von ihm schon mal öffentlich präsentiert, etwa 2018 in der Uni-Bibliothek als Teil eines interdisziplinären Forschungsprojekts Chemie-Kunst.

Vernissage ist am heutigen Samstagabend um 18 Uhr, einführende Worte spricht Prof. Ansgar Schnurr vom JLU-Institut für Kunstpädagogik. Besuche sind immer an Wochenenden möglich und auf Anfrage www.kunstverein-giessen.de.

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