Umtausch immer unbeliebter

Das Weihnachtsgeschäft endet nicht an Heiligabend. Auch in dieser Woche ist die Gießener Innenstadt gut besucht, da die Menschen Gutscheine einlösen und geschenktes Geld ausgeben wollen. Der klassische Umtausch scheint hingegen an Bedeutung zu verlieren.
Am Dienstag ist in der Innenstadt von Inflation und Bedeutungsverlust des stationären Einzelhandels nichts zu spüren. Die Fußgängerzone ist proppenvoll. Das belegt auch der Passantenzähler des Unternehmens Hystreet. Demnach wurden zwischen 12 und 13 Uhr 3200 Menschen auf dem Seltersweg erfasst, das sind 1200 mehr als zur gleichen Zeit vor einem Monat. Klar, Schüler haben Ferien und viele Erwachsene Urlaub »zwischen den Jahren«. Hinzu kommen die Verlockungen des Weihnachtsmarktes, und das bei Sonnenschein. Vor allem aber dürfte der Ansturm daran liegen, dass viele Gießener geschenktes Geld ausgeben und Gutscheine einlösen wollen. Das zeigt: Auch in Gießen endet das Weihnachtsgeschäft nicht an Heiligabend.
»Die aktuelle Woche ist extrem wichtig für uns«, sagt Karstadt-Chef Lothar Schmidt. Vor allem die verschenkten Gutscheine trieben die Menschen in das Warenhaus am Selterstor. Ein Gang durch die Etagen zeigt, dass Schmidt nicht übertreibt: Alle Abteilungen sind gut gesucht.
Kindermund tut Wahrheit kund. Das zeigt sich auch unter dem Weihnachtsbaum. Während Erwachsene sich über die »SOS«-Geschenke, also Socken, Oberhemden, Schlips, »freuen« und artig bedanken, sagen Kinder ohne Rücksicht auf Verluste, was sie von ihren Geschenken halten: »Hab’ ich schon, will ich nicht, find’ ich doof«. Um den Tränenfluss zu stoppen, hilft meist nur das Versprechen, das Geschenk nach den Feiertagen umzutauschen. Doch diese Entwicklung ist rückläufig, betont Schmidt. »Umtausche haben seit Jahren stetig abgenommen. Die Menschen kaufen gezielter ein.«
Auch in der benachbarten Buchhandlung Thalia ist diese Entwicklung zu beobachten, sagt Filialleiterin Alexandra Herrmann. »Umtausche werden immer weniger, da die Beschenkten ihre Wünsche sehr genau platzieren.« Trotzdem herrscht bei Thalia auch nach Weihnachten reger Betrieb. »Bei uns wird viel geschenktes Geld ausgegeben, gefolgt von Gutscheinen«, sagt Herrmann und fügt an, dass das Geschäft »zwischen den Jahren« daher auch sehr wichtig sei.
Bei »Punkt und Strich« ist die Zahl der Umtausche ebenfalls »völlig überschaubar«, wie Inhaber Arno Jung betont. »Aber gleichzeitig ist es natürlich auch willkommen, wenn jemand sein Geschenk optimieren will.« Wie bei Karstadt und Thalia spielen auch in dem Papeterie- und Geschenkeladen am Kirchenplatz Gutscheine eine große Rolle, sagt Jung, vor Weihnachten seien sehr viele verkauft worden.
Umtauschaktion am Kirchenplatz
Den Rückgang der Umtausche lässt sich aber nicht allein mit einem gezielteren Einkaufsverhalten erklären. Zur Wahrheit gehört auch, dass inzwischen fast die Hälfte aller Weihnachtsgeschenke online gekauft werden. Laut dem Statistikportal statista wurden von den durchschnittlich 272 Euro, die die Deutschen 2021 für Weihnachtsgeschenke eingeplant hatten, 117 Euro online ausgeben. Das sind 22 Euro mehr als im Vorjahr. Die unter den unzähligen Retouren ächzenden Paketzusteller könnten ein Lied davon singen, wie viele Geschenke wieder umgetauscht werden.
Wer seiner Großmutter nicht sagen wollte, dass die flippige Krawatte doch nicht den Geschmack getroffen hat, konnte am Dienstagabend sein Glück bei der Geschenktauschaktion auf dem Kirchenplatz versuchen. »Ich mache vor allem aus Jux mit«, sagt Melanie Bell, die einen Bügelautomaten abgab. Die Gießenerin hatte bei der Verlosung sichtlich Spaß, weshalb sie sich über den »gewonnenen« Duftteller auch nicht ärgern musste. Über den Bügelautomaten freute sich hingegen Birgit Jung aus Kleinlinden, die zuvor eine Lavendel-Deko abgegeben hatte. »Ich habe Socken abgegeben, die hat mir meine Tochter geschenkt«, sagte hingegen Rosemarie Reif und betonte, die teuren Strümpfe ohnehin nicht anzuziehen. Das dafür eingetauschte Kochbuch war aber auch nicht nach ihren Geschmack. »Das kriegt meine Tochter«, sagte sie lachend.
34 Pakete hatten die Gießener bei der Aktion abgegeben, einen großen Teil aber nicht zum Tauschen, sondern als Spende. Das zeigt: Zumindest, wenn es mit Spaß verbunden ist oder dem guten Zweck dient, ist der Umtausch von Präsenten weiterhin beliebt.