Umbau als Sanierung verschleiert?

Gießen (seg). Am Freitag ist ein eher ungewöhnlicher Prozess vor dem Amtsgericht Gießen verhandelt worden: Die Klägerin Maria Kleist (Name von der Redaktion geändert) fordert von einem Immobilienunternehmen den Rückbau von Renovierungsarbeiten an ihrer Wohnung am Nahrungsberg, die zur Zeit noch nicht abgeschlossen sind. Dabei handele es sich nämlich nicht nur um die angekündigte Sanierung der Heizung, sondern es werde vielmehr ihr Auszug vorbereitet.
Doch was zwischen den beiden Parteien abgesprochen gewesen war und wie lange der Mietvertrag der alleinerziehenden Mutter überhaupt noch läuft, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Seit 15 Monaten in Zwischenlösung
Fest steht: Kleist kann die Wohnung derzeit nicht benutzen. »Schon seit 15 Monaten lebe ich mit meiner elfjährigen Tochter in einer Übergangslösung«, erklärte die Mieterin. Laut ihrer Schilderung vor Gericht war sie früher Eigentümerin der Wohnung gewesen, habe diese dann aber, wie alle anderen Parteien im Haus, an das Familienunternehmen der Beklagten verkauft. »Unter der Bedingung, dass ich dort wohnen bleiben darf«, sagte Kleist. 2020 habe das Unternehmen dann angekündigt, Sanierungsarbeiten vornehmen zu lassen. Die Heizung sollte ersetzt werden. Erst habe es gehießen, sie könne währenddessen weiter dort wohnen bleiben, dann sei die Nachricht gekommen, dass Kleist in eine Übergangslösung, »ein Studentenhaus in der Schanzenstraße«, ziehen solle. »Nur für zwei bis drei Monate, wurde mir gesagt.«
Bei Besichtigungen der alten Wohnung während der Arbeiten waren Kleist aber immer mehr Veränderungen aufgefallen: »Die Wohnung ist nicht saniert, sondern komplett umgebaut worden.«
So sei unter anderem eine zweite Eingangstür eingebaut worden, genauso wie ein weiteres Bad; in ihrem Wohnzimmer befinden sich nun Anschlüsse für eine zweite Küche, Durchgangstüren wurden versetzt und die Zimmer wirken nun kleiner. »Meine Küche passt jetzt gar nicht mehr rein«, beklagte Kleist. Auch der Vorsitzende Richter Keller stellte in Frage, ob es sich bei Umbauarbeiten in solchem Umfang noch um Sanierungsarbeiten handele.
Klärungsversuche mit den Vermietern seien gescheitert, weil niemand zu einem Gespräch bereit gewesen sei, sagte Kleist. Auch sei weiterhin kein Ende der Arbeiten in Sicht. Jetzt versucht Kleist per Gericht, ihre Wohnung, so wie sie war, zurückzubekommen.
Laut der Gegenseite sind jedoch alle Sanierungsarbeiten mit der Mieterin »glasklar besprochen worden«, wie ein Geschäftsführer der beklagten Firma sagte. Auf Nachfrage von Keller erklärte der Beklagte aber, dass diese Gespräche nicht von ihm selbst geführt worden seien, sondern die Kommunikation über eine Immobilienmaklerin gelaufen sei. Die konnte am Freitag wegen einer Erkrankung allerdings nicht vernommen werden. Es wurde aber der Architekt, der die Umbauarbeiten begleitet, befragt. Der sagte: »Alles wurde so hergerichtet, dass man die Wohnung teilen kann.«
Frau Kleist hat kein Interesse an einer Teilung der Wohnung und will weiter dort wohnen bleiben, aber es stand vor Gericht auch die Frage im Raum, wie lange ihr Mietvertrag noch gilt. Im Kaufvertrag der Wohnung wurde nämlich festgehalten, dass Kleist nur bis Juli 2023 dort wohnen bleibe und auch im Mietvertrag steht dieses Enddatum. Laut Kleists Rechtsanwalt gebe es in dem Mietvertrag jedoch eine Notiz, dass dieses Datum so zu verstehen sei, dass Kleist bis 2023 zu der festgesetzten Miethöhe dort wohnen dürfe und erst ab dann der Betrag steigen dürfe. Die Klägerin konnte auch noch ein gesondertes Schriftstück vorweisen, das diese Interpretation bestätigen soll. Ein Geschäftsführer des Familienunternehmens sagte jedoch, dass sie mit diesem Schriftstück nichts zu tun haben, das stamme von der Hausverwaltung. Kleist erwiderte aber, dass sowohl Mietvertrag wie auch diese Erklärung von einem Familienmitglied bei dem gleichen Termin unterzeichnet wurden. Auch Richter Keller glaubte in der Unterschrift auf dem Dokument den Familiennamen lesen zu können.
Für den Geschäftsführer sei jedoch schon beim Erwerb der Immobilie klar gewesen, dass Frau Kleist dort nur für eine begrenzte Zeit wohnen bleibe. »Wir haben das Haus ja auch mit dem Ziel gekauft, es zu vermieten, wie wir uns das wünschen.« In diesem Sinne seien auch die Sanierungsarbeiten durchgeführt worden.
Keine ähnliche Wohnung zu finden
Der Prozesstag endete mit keinem Urteil, da der Richter noch die Aussagen der Maklerin hören wollte. Keller regte jedoch auch einen Vergleich zwischen den Parteien an. Grundsätzlich zeigten sich beide Seiten für solch eine Lösung offen, jedoch ist für die Klägerin Teil einer Lösung, dass der Vermieter ihr zu einer ähnlichen Wohnung zu einem ähnlichen Mietpreis in dem Viertel verhelfe. »Wir beobachten auch selbst den Markt«, sagte der Anwalt von Kleist, aber es sei nichts Vergleichbares zu finden. Die Örtlichkeit sei Kleist jedoch wichtig, weil sie ein Gartengrundstück dort gekauft habe und die Tochter dort zur Schule gehe.
Auf die letzte Frage von Richter Keller an diesem Prozesstag, ob man Frau Kleist wenigstens ein Datum nennen könne, wann sie und ihre Tochter in die Wohnung wieder zurückkönnen, hatten die Beklagten nur eine ausweichende Antwort: »Wir hängen von den Handwerkern ab.«