Über 60 Kameras plus Security
Wie sicher sind die Gießener Diskotheken? Die Admiral Music Lounge hat uns einen Blick hinter die Kulissen werfen lassen.
Freitagabend, kurz vor 24 Uhr: Im Minutentakt fahren Taxis auf den Parkplatz der Admiral Music Lounge. Von den Rückbänken krabbeln aufgestylte Menschen in die Nacht. Junge Frauen in kurzen Röcken und hohen Schuhen stöckeln Richtung Eingang. Handys werden gezückt, die lackierten Fingernägel huschen über die Tasten. Wenn Markus Urich und Eyyup Kaya wöllten, sie könnten die Nachrichten lesen. Die Geschäftsführer des Admirals sitzen im Überwachungsraum des Discothek und beobachten die Szenerie auf einem Bildschirm. Doch anstatt auf die Smartphones der Frauen zu zoomen, nehmen sie lieber die Bratwürste vom neben dem Eingang aufgebauten Imbiss in Augenschein. »Die sehen lecker aus«, sagt Urich und lacht. Dann erzählt er, dass die Würste nicht nur schmecken, sondern auch eine nicht zu unterschätzende Rolle im Sicherheitskonzept des Clubs spielen.
Über die Sicherheit in Gießens Discotheken ist zuletzt viel gesprochen worden. Das Polizeipräsidium Mittelhessen hat im Jahr 2015 in oder vor Gießener Discotheken 70 Körperverletzungen registriert. Trauriger Höhepunkt war vor einigen Wochen eine Messerstecherei im »Nightlife«, dem ehemaligen Alpenmaxx im Schiffenberger Tal. Als Konsequenz haben die Verantwortlichen einen Metalldetektor vor den Eingang gestellt.
Über 60 Kameras
Urich und Kaya sehen die Metalldetektoren hingegen skeptisch. »Wer ein Messer in den Club schmuggeln will, schafft das auch mit Detektor. Zum Beispiel mit Keramikklingen«, sagt Urich. Bei einem Laden wie dem Admiral, den regelmäßig 1500 Leute bevölkerten, sei solch ein Scanner zudem nicht praktikabel. Das sagt auch Daniel Ferdek von der zuständigen Sicherheitsfirma. »Bei so vielen Gästen würde der Detektor durchgehend piepen, zum Beispiel wegen der Gürtel. Dadurch werden die Türsteher automatisch nachlässig.« Die größte Gefahr gehe aber ohnehin nicht von Messern aus: »Das Problem sind nicht Menschen, die gezielt mit Waffen in den Club kommen, sondern Betrunkene, die in einen Streit geraten. Was nutzt ein Metalldetektor, wenn jemand eine Flasche am Tresen zerschlägt und damit angreifen will?«
Durch ein breites Fenster können Urich, Kaya und Ferdek vom Überwachungsraum aus beobachten, wie die Menge zu Hits von Rihanna und Jay-Z tanzt. Dank der über 60 Kameras, die auf dem gesamten Gelände verteilt sind, können die Verantwortlichen aber auch die Bars, Ein- und Ausgang, Zufahrt, Toiletteneingänge und den VIP-Bereich unter die Lupe nehmen. Auf dem Schreibtisch sind sieben Bildschirme aufgebaut, vier zeigen die Aufnahmen der starren Kameras, die anderen geben die Bilder von 360-Grad-Geräten wider. Urich legt die Hand auf einen Joystick und lässt die Kamera über den Parkplatz schwenken. Selbst in der hintersten Ecke sind die Kennzeichen der Autos zu entziffern. »Das ist High-Tech«, sagt der Geschäftsführer stolz.
Wie viel die technischen Geräte gekostet haben, will der Chef nicht verraten. Aber die Investition hätte sich gelohnt. »Wir hatten schon Stargäste wie Paris Hilton, Rihanna, Chris Brown und Taio Cruz hier. Deren Bodyguards kommen vorher vorbei und nehmen alles unter die Lupe. Nur wenn das Sicherheitskonzept gut genug ist, kommen später auch die Stars.« Und mit ihnen auch das gemeine Partyvolk, das die Ausgaben refinanziert.
Die Technik ist aber nur ein Baustein im Sicherheitskonzept. »In erster Linie setzen wir auf gut ausgebildete Security«, sagt Ferdek. Seine Mitarbeiter hätten allesamt eine Ausbildung bei der IHK absolviert, an Deeskalationstrainings teilgenommen und Erste-Hilfe-Kurse besucht. Auch ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis müssten die Türsteher vorlegen. Neben der Qualität sei es aber vor allem die Quantität, die den Unterschied mache. »Heute sind insgesamt zwölf Sicherheitsleute im Einsatz. In vergleichbaren Clubs sind es meist nicht mehr als drei.« Durch die vielen Sicherheitsleute könne er im Admiral auch Orte besetzen, die in anderen Discotheken meist verwaist seien. Zum Beispiel den Ausgang. Dadurch hätten die Türsteher ein Auge auf torkelnde Frauen, die von Männern zum Auto geführt werden. Ferdek: »Wir fragen dann nach, ob die Frauen auch wirklich mitwollen. Besonders in Zeiten von K.o.-Tropfen ist das sehr wichtig.«
Während Urich, Kaya und Ferdak über die gute Zusammenarbeit mit Ordnungsamt und Polizei sowie die deeskalierende Wirkung der von einem Lichtdesigner konzipierten Beleuchtung sprechen, huschen im Hintergrund tanzende Menschen über die Bildschirme. Eines der Geräte zeigt einen Barmann, der in ein Funkgerät spricht. »Alle unsere Mitarbeiter sind miteinander verbunden und können per Knopfdruck sofort die Türsteher alarmieren«, sagt Urich. »Aber das zeigen wir Ihnen besser unten.«
Tausende Euro gegen Hausverbot
Die Männer erheben sich und steuern die Tanzfläche an. Urich muss schreien, um gegen die Hip-Hop-Beats anzukommen. »Natürlich können wir Auseinandersetzungen nie ganz verhindern. Wo Alkohol getrunken wird, fliegen auch mal die Fäuste. Aber da sind wir knallhart. Wer einmal die Hand erhebt, hat lebenslanges Hausverbot.« Daran änderten auch die Bestechungsversuche nichts, fügt Kaya an: »Uns wurden schon mehrere Monatsgehälter angeboten, um wieder hereinzukommen. Ohne Erfolg.«
Das Trio drängt sich durch die Menge, nacheinander zeigen sie die Bars, Bühne, das DJ-Pult und den Raucherbereich. Immer wieder bleiben sie stehen und verweisen auf die unzähligen Kameras. An jeder zweiten Ecke steht zudem ein Mitarbeiter des Security-Teams und beobachtet die Besucher. Dann erreichen die Männer den Ausgang, der Rundgang ist zu Ende.
Aber welche Rolle spielt denn nun die Bratwurst im Sicherheitskonzept? Wie bestellt geht die Tür auf, ein Security-Mitarbeiter bugsiert einen betrunkenen Gast an die frische Luft. »Hol dir erstmal eine Wurst. Danach kannst du wieder kommen.« Der junge Mann torkelt mit gesenkten Kopf zur Imbissbude. Kaya lacht: »Eine Wurst kann Wunder bewirken. Danach ist er nicht nur satt, sondern vielleicht auch etwas nüchterner.« Das Security-Konzept der Admiral Music Lounge mag Unsummen gekostet haben – manchmal sorgt eine schlichte Wurst für etwas mehr Sicherheit. (Fotos: Schepp)