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Beliebte Salatbar in Gießen: Tom & Sally’s kämpft ums Überleben

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Von: Christoph Hoffmann

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Tom & Sally’s ist ein beliebtes Unternehmen in Gießen. Seit fast 20 Jahren versorgt das Team um Tobias Voigt die Menschen mit Salat. Doch die Krise hat Spuren hinterlassen.

Gießen - Das Gebäude in der Bleichstraße 23 ist ein Symbol für den Wandel der deutschen Essgewohnheiten. Früher haben die Menschen bei der Metzgerei Kahl Schinken, Blutwurst und Mett gekauft, seit 2005 versorgen sich die Menschen dort in erster Linie mit Salat. Der Trend zu gesünderen und leichteren Speisen, vor allem in der Mittagspause, hat Tom & Sally’s in den vergangenen Jahren kontinuierlich expandieren lassen. »Es ging immer nur bergauf«, sagt Inhaber und Firmengründer Tobias Voigt, »unser Umsatz ist stets gestiegen.« Doch diese Zeiten sind seit dem Ausbruch von Corona vorbei. Im Herbst des vergangenen Jahres wurde bereits die Filiale in Wiesbaden geschlossen, im Sommer wird es die Salatbar im Gießener Bahnhof treffen. Man merkt Voigt an, dass ihm der folgende Satz schwerfällt, er spricht ihn dennoch aus: »Wenn dieses Jahr so verläuft wie letztes, wird es Tom & Sally’s nicht mehr geben.«

Tom & Sally’s steht für Tomate und Salat. Mit diesen und vielen weiteren Zutaten hat das Unternehmen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu geleistet, die Essgewohnheiten der Menschen in und um Gießen zu verändern. 2004 war es, als Voigt mit seinem Freund Ingo Hofmann begann, Unternehmen mit Salat zu beliefern. Hofmanns Vater Wolfgang war der Betreiber der Käsekiste am Schwanenteich und versorgte die beiden Jungunternehmer mit der grünen Ware.

Tom & Sally’s in Gießen: Von 130 auf nur noch 60 Mitarbeiter

»Wir sind einfach zu den Unternehmen gefahren, haben geklingelt und uns vorgestellt«, erzählt Voigt. Das Angebot sei schnell angenommen worden, weshalb Voigt und Hofmann 2005 die leerstehende Metzgerei in der Bleichstraße bezogen. Nach einer kleinen Kapriole wegen des Markennamens - Tom & Sally’s hieß anfangs Hogies, was einem fast gleichnamigen Unternehmen aus Süddeutschland aber nicht passte - folgte ein rasanter Aufstieg. Die Belieferungen von Firmen wurde immer weiter ausgebaut mit regelmäßigen Fahrten bis ins Rhein-Main-Gebiet, zwischenzeitlich gab es Tom & Sally’s sogar in München und Ingolstadt. In Wetzlar, Wiesbaden und am Gießener Bahnhof entstanden ebenfalls Filialen. »In der Hochzeit haben wir 130 Menschen beschäftigt«, sagt Voigt. Heute sind es nicht einmal die Hälfte.

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Tobias Voigt will weiterhin Arbeitnehmer mit leichten Mittagessen versorgen. Aber das Geschäft ist durch die Krisen schwieriger geworden. © Oliver Schepp

Corona hat etlichen Unternehmen den Boden unter den Füßen weggezogen. Viele Gießener dachten, Tom & Sally’s könne diese Herausforderung gut meistern, schließlich ist das Unternehmen spezialisiert auf Lieferdienste und das »to-go«-Geschäft. »Das ist ein Irrglaube«, sagt Voigt, der 2014 seinem Geschäftspartner dessen Anteile abkaufte und seither alleiniger Inhaber ist. »60 Prozent unseres Umsatzes haben wir mit der Belieferung von Firmen gemacht. Und das ist von dem einen auf den anderen Tag weggebrochen.«

Die Arbeitswelt hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie gewandelt. Homeoffice-Lösungen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Dass sich die Welt innerhalb so kurzer Zeit derart verändern wird, war damals nicht absehbar, auch nicht für Voigt. »Wir haben daher weiterhin Arbeitnehmer beliefert, nicht mehr in den Firmen, dafür zu Hause im Homeoffice. Wir wollten für unsere Kunden da sein und die Fahne hochhalten. Keiner wusste, wie lange die Situation andauert.«

Gießener Salatbar: extrem aufgeblähter Kostenapparat

Die Belieferung von Privathaushalten hat einen elementaren Nachteil gegenüber Fahrten zu Firmen. »In einem Büro können wir auf einen Schlag 10, 20 Salate verkaufen. Bei den Menschen zu Hause nur einen oder zwei«, sagt Voigt. Dennoch habe er den Lieferdienst aus Überzeugung am Leben gehalten. Im Nachhinein ein Fehler, wie der Geschäftsmann sagt.

Tom & Sally’s machte zwar weiterhin Umsatz, allerdings mit einem extrem aufgeblähten Kostenapparat durch die zusätzlichen Ausgaben für Benzin und Arbeitszeit der Mitarbeiter. »Daher war unser Umsatzrückgang nicht groß genug, um Anspruch auf staatliche Hilfen zu erhalten.« Hätte Voigt den Lieferdienst eingestellt, würde das Unternehmen deutlich besser dastehen. Stattdessen wurde zum Ende des vergangenen Jahres die Filiale in Wiesbaden geschlossen.

Schon bald wird es jene am Gießener Bahnhof treffen. Auch dies habe mit dem veränderten Arbeitsleben der Menschen zu tun. »Die Leute sind nicht mehr zur Arbeit gependelt, sondern haben im Homeoffice gearbeitet.« Gleichzeitig würden immer mehr Fahrgäste das Bahnhofsgebäude meiden und direkt zu den Gleisen gehen. »Wir werden unseren Mietvertrag, der im Sommer ausläuft, daher nicht verlängern.« Das schmerzt Voigt sehr, zumal die Errichtung der Salatbar dort viel Geld gekostet hat.

Corona hat den Höhenflug des Gießener Unternehmens jäh gebremst

Corona hat den Höhenflug des Gießener Unternehmens also jäh gebremst. Doch auch wenn die Pandemie und die damit einhergehenden Lockerungen mehr und mehr aus der Wahrnehmung der Menschen verschwinden, hat Voigt weiterhin mit existenziellen Problemen zu kämpfen. Die Energiekrise sorgt für eine massive Verteuerung beim Betrieb der Küche, der Betankung der Lieferfahrzeuge und nicht zuletzt bei der Warenbeschaffung. »Hinzu kommt der Mindestlohn«, sagt Voigt.

Gesamtgesellschaftlich unterstütze er es zwar, dass Menschen, die wenig verdienten, mehr bekommen sollten. Für seinen Betrieb, in dem viele Studenten arbeiten, sei dieser schnelle Anstieg jedoch fatal. Gleichzeitig haben viele Kunden durch die hohe Inflation weniger Geld in der Tasche und gönnen sich seltener Pizza, Pasta, aber eben auch Salat. »Wir befinden uns im Grunde seit drei Jahren im Überlebenskampf«, sagt Voigt.

An der Wand hinter Voigt hängt eine alte Speisekarte, sie stammt noch aus den Anfangsjahren des Unternehmens. Ein Salat kostete damals 4,90 Euro - heute ist es mehr als doppelt so viel. Zu viel? »Dieses Thema begleitet uns schon immer. Das liegt daran, dass viele Menschen Salat immer noch als Beilage sehen.« Dabei sei ein Salat von Tom & Sally’snicht nur eine vollwertige Mahlzeit, sondern auch vom Wareneinsatz her teurer als etwa eine Pizza. Bei bis zu 15 Zutaten pro Gericht und den vielen Arbeitsschritten - waschen, schneiden, braten, zusammenfügen - sowie aufwendiger Frische-Logistik müsste der Salat eigentlich wohl eher 12 bis 15 Euro kosten, sagt der Gießener.

Gießen: Hoffnung durch Catering und Co.

Wenn er nicht gerade in Dressing schwimmt, ist Salat gesünder als viele andere Speisen. Voigt ist daher immer noch von seinem Konzept überzeugt, Arbeitnehmern etwas leichtes und gleichzeitig nährstoffreiches anzubieten. »Danach ist man weiterhin produktiv und nicht so erschlagen wie etwa von einem Schnitzel.« Voigt sieht daher auch Vorteile für Arbeitgeber - und hierdurch erhofft er sich auch neue Chancen für sein eigenes Unternehmen.

Der Fachkräftemangel beeinflusst viele Branchen. Um Mitarbeiter gewinnen und halten zu können, reicht eine gute Bezahlung oft nicht aus. Neben vielen anderen Möglichkeiten sind auch kostenlose Mahlzeiten ein Weg der Mitarbeiterbindung. »Viele Unternehmen können oder wollen sich aber keine eigene Kantine leisten«, sagt Voigt. Tom & Sally’s könnte diese Lücke füllen, glaubt der Unternehmer, zumal neben Salat auch Wraps und gefüllte Ofenkartoffeln auf der Speisekarte stünden. »Somit würde nicht der Arbeitnehmer unser Kunde, sondern der Arbeitgeber. Wir hoffen, in diesem Bereich Partnerschaften aufbauen zu können.«

Hoffnung machen ihm zudem die gute Nachfrage in der Filiale in Wetzlar sowie die vielen Catering-Anfragen, sagt Voigt. »Das läuft richtig gut, obwohl viele nicht wissen, dass wir Fingerfood und Co. für Events anbieten.« Dieser Bereich soll daher kontinuierlich ausgebaut werden.

Voigt hat alles dafür getan, Salat aus der Beilagenrolle zu befreien. Jetzt will er dafür kämpfen, dass Tom & Sally’s nicht für immer von der Speisekarte verschwindet. (Christoph Hoffmann)

Inflation und Energiekrise belasten viele Gastronomen im Kreis Gießen – und verunsichern sie: Preiserhöhungen und hohe Umsätze reichen oft nicht mehr aus.

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